Morgen komm ich später rein
Tempo selbst zu bestimmen. So arbeitende Menschen können beschließen, »zum Angeln
zu fahren, wann immer sie wollen«. Doch der Wissenschaftler sieht ein großes Hindernis auf dem Weg, solche flexiblen Arbeitsformen
für viele zu ermöglichen. Die dominante Unternehmenskultur beurteilt Menschen, die Karriere machen wollen, immer noch nach
der Menge der Überstunden: »Während die extrinsischen Belohnungen innerhalb der Organisation (Bezahlung, Beförderung, Einfluss)
in der Regel direkt proportional der Menge an Zeit sind, die man in betriebliche Ziele investiert, stehen intrinsische Belohnungen
(das Gefühl eine Arbeit gut, mit Geschick und Phantasie ausgeführt zu haben) häufig gerade im umgekehrten Verhältnis dazu.«
Der Stress für Wissensarbeiter nehme daher weiter zu und es werde wohl noch eine Weile dauern, bis Unternehmen ein durchdachtes
– sprich flexibleres und freieres – Zeitmanagement installierten.
Zeit für ein kleines Zwischenfazit: In der Easy Economy geht es darum, wieder Spaß an der Arbeit zu finden. Darum auch das
dem ersten Kapitel vorangestellte Motto: If it’s not fun, why do it? Aber wir wollen Spaß am Arbeitsplatz weder definieren
als vom Chef vorgeschriebene Unterhaltungsmaßnahmen noch als von Mitarbeitern initiierte Albereien. Weder als New-Economy-Gimmicks,
die uns nur von der Arbeit abhalten noch als Luxus-Incentives, mit denen |65| uns der Chef ja doch nur an den Schreibtisch ketten will. Sondern: Spaß bei der Arbeit entsteht dann, wenn wir wie Erwachsene
behandelt werden. Wenn wir selbst entscheiden können, wie wir am effektivsten funktionieren. Spaß ensteht aus dem Gefühl der
Kontrolle über die eigene Zeit und über die eigene Leistung. Spaß bedeutet, eine anspruchsvolle Aufgabe mit möglichst hoher
Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit auszuführen – wann, wo und wie man will – und dann ganz schnell Angeln zu gehen.
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|66| Kapitel 4
Was stimmt da nicht?
»Gerade als es so aussah, als würde uns die Kombination aus langen Arbeitswegen, verschmutzter Luft, verstopften Straßen und
langen Meetings umbringen, schenkte uns Mutter Natur die Alternierende Telearbeit.«
Scott Adams, Das Dilbert Prinzip
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Warum der alte Arbeitstag nicht mehr funktioniert
Ein anonymes Bürohaus von außen in einem beliebigen amerikanischen Business District. Ein Geschäftsmann, gut gekleidet, graue
Schläfen, stürmt aus der Eingangstür. Er holt kurz Luft, reißt sich die Krawatte vom Hals, schleudert sie auf den Boden. Mit
dem offenen Hemdkragen sieht der Anzug an ihm plötzlich ausgesprochen lässig aus. Ohne sich noch einmal umzuschauen, lässt
er das Gebäude hinter sich und – daran besteht kein Zweifel – eine triste Existenz als Schreibtischsklave voller Monotonie
und Langeweile. Er macht sich auf – auch das ist sofort klar – in ein besseres Leben: aufregend, unberechenbar, sexy. Der
Film
Ocean’s Eleven
beginnt emotional und berührt damit den weichen Punkt wohl jedes Büroarbeiters. Wie dieser Mann wollen wir uns den Schlips
dramatisch herunterreißen, damit endlich das wahre Leben beginnt. Wir wollen sein wie er: Frei von der täglichen Wiederkehr
des ewig Gleichen. Vermutlich schadet dabei nicht, dass der Mann von George Clooney gespielt wird, also bei der Rebellion
auch noch gut aussieht. Und dass er – wie der Zuschauer bald erfährt – ein charmanter Meisterdieb, Lebenskünstler und Frauenheld
mit dem etwas albernen Namen Danny Ocean ist.
Auch Lars Johansen wäre wohl gern wie Danny Ocean. Sein Tag beginnt jeden Tag um sechs. Wenn sein Wecker klingelt, kämpft
er |67| sich aus dem Bett, trinkt eine Menge wirklich starken Kaffee und schafft es gerade so, zum Arbeitsbeginn um sieben Uhr an
seinem Schreibtisch zu sitzen. Aber jeden Morgen hat er dasselbe schlechte Gefühl: Es ist falsch, dass die soziale Konvention
Menschen zwingt zu arbeiten, bevor ihr Gehirn angefangen hat, vernünftig zu funktionieren. Johanson: »Unsere Gesellschaft
ist an einen Punkt gekommen, an dem wir unsere Jobs nicht mehr zeitlich und räumlich einschränken müssen. Also sollte sich
die Gesellschaft ändern.«
Darum ist er der dänischen B-Society beigetreten, die wir schon im Kapitel über den Weg zur Arbeit kennen gelernt haben. Gegründet
Anfang 2007 hatte sie nach wenigen Monaten bereits mehr als 5 500 Mitglieder, Ableger in Norwegen, Finnland, Schweden und
Frankreich,
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