Morgen komm ich später rein
sowie jede Menge Aufmerksamkeit von Medien, Politikern und Gewerkschaften. Die Idee ist einfach: Wer morgens,
so wie Johanson, nicht aus den Federn kommt, gehört zu den B-Typen, wer früh und dynamisch den Tag beginnt, ist ein A-Typ.
Laut Schlafforschern gehören nur 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung zur letzteren Kategorie, die dennoch den Rhythmus des üblichen
Arbeitstags diktiert. Bis zu 25 Prozent sind B-Typen, also Langschläfer, der Rest fällt irgendwo zwischen die beiden Gruppen.
Ich wollte mehr darüber wissen und habe Camilla Kring, die Gründerin der B-Society, interviewt:
Frau Kring, ein Verein für Menschen, die gern lange schlafen – ist Ihre
B-Society ein Spaß oder ein ernsthafter Versuch, die Gesellschaft zu ändern
?
Camilla Kring: Die B-Society ist sehr ernst gemeint. Ich glaube, es ist möglich, unsere Idee in der ganzen Welt umzusetzen. Wir werden von
Wissenschaftlern der Universität Uppsala und der University of Surrey unterstützt, außerdem von Politikern und Arbeitgebern.
Die Stadtverwaltung Kopenhagen bietet bereits spezielle Jobangebote für chronische Spätaufsteher an. Der dänische Familienminister
ist auf unserer Seite und mit der Ingenieurs-Gewerkschaft haben wir einen Kongress über die Zukunft der Arbeit organisiert.
Was ist falsch am alten 9-to-5-Arbeitstag?
|68| Kring: Wir erleben derzeit einen Konflikt, in dem wir vergeblich versuchen, die alten Strukturen der Industriegesellschaft an die
völlig unterschiedlichen Bedürfnisse der Wissensgesellschaft anzupassen. Wenn Dänemark und andere Länder wirklich – wie sie
behaupten – von Innovationskraft, Kreativität, Konzepten und Wissen leben wollen, müssen wir gleichzeitig individuelle Lebenssituationen
schaffen, die den veränderten Arbeitsprozessen angepasst sind.
Was haben Sie bislang konkret erreicht?
Kring: Es gibt jetzt zum Beispiel die B-Hochschule HF Efterslægten in Kopenhagen, an der der Unterricht morgens erst nach zehn Uhr
beginnt. Wir zertifizieren Unternehmen, die den Arbeitsrhythmus von B-Typen akzeptieren und respektieren. Und wir haben zusammen
mit der Firma »Livejob« die erste Online-Jobdatenbank für B-Typen eingerichtet. Für Stellen beispielsweise, in denen man oft
mit den USA zu tun hat und darum häufig erst nach 18 Uhr arbeitet, sind B-Typen die Idealbesetzung.
Geht es Ihnen nur um verschiedene Schlafmuster, oder steckt mehr dahinter
?
Kring: Ich sehe einen grundsätzlichen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel bezüglich der Art, wie wir Arbeit und Freizeit definieren.
Der streng geregelte Arbeitstag ist überflüssig, seit uns die Technologie ermöglicht, von zu Hause aus zu arbeiten. Warum
sind die Arbeitszeiten nicht viel flexibler?
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Wissensarbeiter brauchen Freiheit
Auch Nicholas Negroponte, visionärer Vordenker der US-Wirtschaft, sagte in einem Interview, das ich bereits im Jahr 2003 mit
ihm führte: »Es geht nicht darum, rund um die Uhr zu schuften. Immer mehr Berufstätige haben flexible Arbeitszeiten, arbeiten
von zu Hause, integrieren Arbeit in ihr tägliches Leben.« Klingt gut. Die deutsche Büropraxis zumindest sieht in der Regel
anders aus. Doch manche Unternehmen haben diese Lektion bereits gelernt und ihre Angestellten preisen die neugewonnene Flexibilität.
Frank Hartmann betreut beim Softwarekonzern SAP weltweit Wirtschafts- und Finanzmedien: »Wenn Sie als Unternehmen heute |69| die besten Leute rekrutieren wollen, müssen Sie flexible und mobile Arbeitsformen anbieten. Vielleicht wohnt ein guter Mann
in einer anderen Stadt und will nicht umziehen. Dann sagt man eben, wenn der Job es erlaubt: Ok, Du arbeitest drei Tage die
Woche von zu Hause aus.« Hartmann selbst kam von der eher konservativen Deutschen Börse zu seinem neuen Arbeitgeber und wunderte
sich anfangs: »Wie erreiche ich denn hier jemanden? Die Kollegen sind ja gar nicht da.« Der 37-Jährige lernte schnell: Kommuniziert
wird bei SAP über E-Mail und Handy, über Wikis und Software wie WebEx, die es erlaubt, bei Online-Konferenzen Teilnehmer in
Echtzeit aus der Ferne hinzuzuschalten. »Man verabredet sich zum Telefonieren, jeder hat einen Blackberry – und Internetzugang
sowieso«, so Hartmann: »Leute zu erreichen ist kein Problem.« Zwar könne man nicht mehr einfach über den Flur und den Kollegen
schnell etwas fragen, »aber dass das in klassischen Büros immer geht, ist ja auch eine Illusion: Wie oft ist derjenige, den
ich
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