Morgen letzter Tag!
und Tipps zum erfolgreichen Lebensvollzug. In Unterhaltungssendungen und Spielfilmen, überall sieht man die Dynamischen mit ihren Trinkflaschen bewaffnet. Ist der Arm der Konzerne wirklich so lang? Wohl eher nicht.
Also, was ist bei dem » Wasser trinken«-Diskurs passiert? Friedrich Nietzsche analysiert die Lage der » letzten Menschen« (das wären wir konsumorientierten Ego-Shooter) mit dem Gedanken, dass, wenn Gott tot ist, die Gesundheit das höchste Gut wird. Es gilt sich zu erhalten, weil ein Relaunch in einer nächsten Welt nicht mehr sicher ist. Diese Gedanken und Empfindungen schaffen die Stimmung, den Zeitgeist für den Diskurs um die richtige Wassermenge, die jeder vernünftige und sorgsame Mensch zu sich zu nehmen hat. Die Sorge um das eigene Wohlbefinden wird oberstes Gebot. Das » Selbst« aus dem christlichen Gebot » liebe deinen Nächsten wie dich selbst« tritt jetzt immer mehr in den Vordergrund. Und die » anderen« werden dann mehr und mehr weggelassen, und übrig bleibt nur noch die Eigenliebe. Stellt man dann fest, dass man das mit der Nächstenliebe noch immer nicht hingekriegt hat, dann liebt man sich selbst eben noch zu wenig. Man muss sich also noch mehr lieben, sich noch mehr um sich und für sich sorgen, dann kommt der Rest schon von selbst. Im Kapitalismus ist eben jeder für seinen eigenen Orgasmus verantwortlich.
Also, wir sollen gesund sein. Wir sind aber schon gesund. Das ist hauptsächlich der guten Ernährung und der Erfindung der Hygiene zu verdanken. Weil man aber mit Gesundheit nicht zu knapp Geld verdienen kann, muss man sich etwas einfallen lassen. Die Möglichkeiten sind zweierlei. Erstens, man kann behaupten, wir seien doch nicht gesund. Wir seien eigentlich krank und merkten es nur nicht. Oder man kann zweitens behaupten, Gesundheit genüge nicht mehr, wir sollten » übergesund« sein. Supergesund.
Tatsächlich werden beide Strategien verfolgt. Und beiden » Bedrohungen« wird man durch ausführliches Wassertrinken Herr. Die Mischung aus merkantilem Streben und dem allgemeinen Ego-Zeitgeist ergibt ein Gesundheitsgebot, das zwar vollkommen realitätsfern ist, innerhalb des Diskurses aber vollkommen schlüssig und erfolgreich scheint.
Aus diesem Blickwinkel lässt sich manche Antinomie erklären. Zum Beispiel auch, warum sehr viele an sich hochvernünftige Mitmenschen sich entschieden haben, einen SUV zu kaufen. Ein Sport Utility Vehicle. Eine Luxus-Geländelimousine. Also ein Auto, das mindestens zwei Tonnen wiegt, nur um damit den hochvernünftigen Menschen und vielleicht noch seine 1 , 6 Normkinder zu transportieren. Also höchstens 150 Kilo. Im Prinzip könnten Sie mit dem SUV den ganzen Tag querfeldein durch die Pampa fahren, was Sie aber freilich nicht müssen, immerhin leben Sie in einem Land mit vorbildlicher Verkehrsinfrastruktur und deswegen ausgeprägtem Straßennetz. Und Querfeldeinfahren ist auch verboten.
Natürlich hat der hochvernünftige Mensch wegen seines Wagens Schuldgefühle. Er ist klug genug zu wissen, dass er seine Leibesfrucht mit einem Ökozid auf vier Rädern zur Ballettstunde fährt. Aber er macht es dennoch. Wie geht das? Oder besser– wieso macht man das?
Man, oh man– was tun?
Martin Heidegger analysiert in seinem Hauptwerk »Sein und Zeit« das » man« als eine Sprachform, die immer die anderen meint. » Das macht man so« meint, das ist die konventionelle Übereinkunft von allen anderen, die Dinge so oder so zu regeln. Ironischerweise beschreibt dieses » man« aber immer nur die anderen. Auch dann, wenn es von jemand anderem gesagt wird. Der meint dann auch die anderen. Also einen selbst? Weil man ja dann der andere ist? Eben nicht. Das » man« ist ein Begriff für die virtuelle Allgemeinheit. Niemand war je dabei, als eine Vereinbarung über das richtige Verhalten getroffen wurde. Aber sie wurde getroffen. Von wem? Nun, die hat man eben getroffen. Es gibt hier keinen Agenten mehr, der eine Entscheidung trifft, der plant oder etwas will. Es passiert einfach. Ein evolutionäres Prinzip, das sich aus den immer wechselnden Umständen ergibt.
Aus Sorge um sich und aus Sorge um die Seinen. Immerhin ist so ein gewaltiger Wagen sehr sicher. Also für diejenigen, die drinsitzen. Gleichzeitig ist er auch sensationell unsicher. Nämlich für diejenigen, die nicht drinsitzen. Jeder, der schon mal an der Ampel neben einem SUV stand und nach oben blicken musste, um die Authentizität des Blonds der am Steuer befindlichen Zahnarztgattin zu
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