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Morgen letzter Tag!

Morgen letzter Tag!

Titel: Morgen letzter Tag! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Süß
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im Blut eines jeden Durchschnittseuropäers etwa 40 giftige Chemikalien nachweisen lassen! Man lernt hier schlagartig etwas wirklich Interessantes. Nämlich, dass genau parallel dazu, wie wir uns in die Welt hineinbauen, die Welt wiederum uns durchdringt und uns all das zurückgibt, von dem wir gehofft hatten, es loszukriegen. Es scheint so, als würden wir auch unsere unbewussten zerstörerischen Triebe in die Welt mit einbauen.
    Überlegen Sie mal: Die Rationalität, die allenthalben in unserer hoch technisierten Welt verkündet wird, könnte doch reine Propaganda sein.
    Und auch unser bewusstes Denken und die Entwicklung der Diskurse und damit auch das Wissen und die Meinungen, die diese Diskurse hervorbringen, sind am Ende den Regeln der Evolution unterworfen. Survival of the fittest gilt auch für Ideen. Das bedeutet freilich leider nicht, dass sich auch die vernünftigsten Ideen durchsetzen, sondern die, die in einem bestimmten Moment am besten passen. (Das kann, wie bei Kernenergie, Castingshows oder Biosprit, auch mal eine total behämmerte Idee sein.)
    Auch hier wird alles von allem beeinflusst.

Das Wasser und die Evolution der Meinungen
    Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ein jeder weiß, der Mensch ist eine sich ausbreitende Wüste. Unsere Gehirne vertrocknen wie Mumien im Sahara-Sand, wenn wir uns nicht, von ständiger Selbstdisziplin befeuert, unablässig anfeuchten. Wer kennt sie nicht, diese peinliche Situation: Man will in launiger Runde, in der man sich gegenseitig die Filme erzählt, die ein jeder schon mehrmals gesehen hat, zum allgemeinen Sozialgeräusch beitragen und ebenfalls von einem Film berichten. Aber der Titel fällt einem nicht ein. Die Hauptdarsteller nicht. Und auch nicht die Namen derjenigen Hauptdarsteller, die davor in bekannten Filmen gemeinsam mit denen, deren Namen einem um die Burg nicht einfallen wollen, gespielt haben. Also stammelt man. Und sagt: Es liegt mir auf der Zunge. Tatsächlich aber liegt auf der Zunge nur weißlicher Trockenbelag. Doch würde man nun ausgiebig kühles Wasser trinken, selbstverständlich sprudelfrei, dann würde nicht nur der Belag von der Zunge weggespült, um im Magen von Säuren in seine verdauungsnützlichen Bestandteile aufgelöst zu werden, ebenso würde das Nass einem die im Moment nicht zugänglichen Namen direkt ins Sprachzentrum spülen. Denn dass einem mitunter die Namen von Schauspielern, Urlaubsorten oder Fernsehsendungen nicht einfallen wollen, liegt nicht an Stress, Überarbeitung, Überreizung oder schlicht an der Tatsache, dass diese Namen total irrelevant sind und man sie deswegen vernünftigerweise vergessen hat, es liegt am allzu sparsamen Umgang mit Wasser.
    Sicher, sollte man über 40 sein, könnte es auch ein erstes Anzeichen von Alzheimer sein.
    Aber wahrscheinlich ist es das Wasser. Drei Liter täglich (mindestens!) muss ein jeder Mensch zu sich nehmen, oder er wird, als Preis für sein Versäumnis, mit grassierender Blödheit gezeichnet. Deswegen muss man unablässig, zu jeder Stunde des Tages, eine kleine Wasserflasche mit sich führen und trinken. Aus Plastik soll sie sein, dann ist sie bruchfest, also praktisch, und das ist auch besser für die Umwelt als Glasflaschen, deren Säuberung und Neubefüllung angeblich ein kleines Öko-Armageddon darstellen.
    Und man soll nicht so hastig trinken. Nicht ab und zu in gierigen Zügen, sondern regelmäßig und unablässig in kleinen Schlucken.
    Und deswegen sieht man sie auch überall, die erwachsenen Flaschenkinder. Wo sie gehen und stehen, in Sitzungen sitzen, in Lounges lungern, sogar wenn sie auf dem Fitnessfahrrad indoor gegen den Zerfall des Körpers ankämpfen, überall sind sie bewaffnet mit ihren Trinkflaschen. Die Flasche ist ein Zeichen von Modernität und zeichnet ihren Träger als einen Menschen aus, der mit Respekt, beachtlicher Kenntnis und Sorgsamkeit mit dem eigenen Körper umgeht. Die kleine Trinkflasche ist kondensierter Erfolg. Es ist das Konsenswasser des um sich besorgten Mittelstands. Lecker!
    Sollten Sie auch nur eine Passage des obigen Textes benickt haben, dann hat man Sie hereingelegt. Sie sind Opfer einer groß angelegten Kampagne geworden, die uns größtenteils frei erfundene Notwendigkeiten zur Zeitgeistideologie umgedeutet hat.
    Gänzlich ohne Wahrheitsgehalt ist das Ganze freilich nicht, es ist schon richtig, trinkt man überhaupt nicht mehr, schadet man seiner Gesundheit auf die Dauer, obwohl man einen beträchtlichen Teil seines Flüssigkeitsbedarfs

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