Morgen letzter Tag!
auch über die Nahrung zu sich nimmt. Sollte das nicht ausreichen, hat die Natur uns aber mit einem internen Regulierungssystem ausgestattet, das schon seit Millionen von Jahren dafür sorgt, dass wir uns eines Flüssigkeitsmangels in unseren Körpern bewusst werden: Wir bekommen Durst! Dann trinken wir.
Jetzt aber haben uns Werbung und Zeitgeist erfolgreich eingeredet, dass auf die körpereigenen Signale kein Verlass ist. Wenn wir Durst verspüren, dann sei es schon zu spät, heißt es. Zu spät wofür? Zum Trinken? Also ich habe schon öfters Durst gehabt und dann getrunken und bin noch am Leben. Scheint also zu klappen.
Also warum diese ganze Wassertrinkerideologie?
Weil Wasser Geld kostet. Und das, welches in kleine Plastikflaschen abgefüllt wurde, um unsere virtuellen Bedürfnisse zu befriedigen, kostet sogar besonders viel. Im Schnitt kostet das Wasser in Flaschen etwa tausend Mal so viel wie das, welches aus Ihrem Wasserhahn kommt. Wenn Sie in Mitteleuropa leben oder gar in Deutschland und– falls Sie ganz viel Glück haben– sogar in Bayern, dann ist es nicht nur garantiert auf seine Qualität geprüft, diese Prüfungen werden auch ständig wiederholt. Das Wasser, das bei uns aus der Leitung kommt, darf mit Stolz als das wohl beste und sauberste Wasser weltweit bezeichnet werden. Wir baden darin, wir spülen Nahrungsendprodukte, welche unser Körper ausscheidet, damit in die geheimnisumwitterten Tiefen der Abwassersysteme, aber wir trinken Wasser aus Flaschen. Obwohl dieses Wasser zum großen Teil keiner Kontrolle und schon gar keiner ständigen unterliegt, oft schädliche Weichmacher aus dem Plastik der Flaschen angenommen hat und überhaupt meist mit dubiosen Substanzen belastet ist (Kryptonit, Legosteine, Klärschlamm etc.).
So, und jetzt kann man doch nur im Stillen applaudieren. Man hat es geschafft, uns etwas zu verkaufen, was wir schon haben, und das zum tausendfachen Preis, dafür aber von deutlich schlechterer Qualität. Das ist unbestritten eine Meisterleistung. Eine Meisterleistung, die zeigt, dass unsere Auffassung von dem, was wahr, gut und richtig ist, in jeder Richtung plastisch ist. Modifizierbar.
Und nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen, ich will Ihnen nicht ausreden, Wasser zu trinken, wenn Ihnen danach ist. Und Sie können das auch weiterhin als gut bewerten. Schaden wird es auf jeden Fall nicht. Da müssten Sie schon sehr viel Wasser trinken, damit es wirklich medizinisch schädlich ist. (Das schaffen wohl fast ausschließlich Marathonläufer, die sich im Verlauf eines Rennens so mit Wasser zuschütten, dass sie sich selbst lebensgefährlich » verdünnen«. Eine ganz spezielle Art von » Substanzverlust«.)
Aber das Ganze zeigt, wenn auch bei einer zugegeben harmlosen Sache, dass es Kräfte von außen gibt, die unsere Überzeugungen erzeugen. Der Glaube an das Wassertrinken hat ein Problem gelöst, das wir nicht haben, indem man geschickt auf der Klaviatur unserer Luxusängste gespielt hat. Denn man fühlt sich oft matt, unkonzentriert, man ist vergesslich und schusselig. Aus vielen Gründen. Da ist Wassermangel doch eine bequeme Erklärung. Auf jeden Fall besser als die, dass man aufgrund von Unfähigkeit unfähig sei.
Und gleichzeitig hat man uns den Durst ausgeredet. Durst ist angeblich kein verlässliches Anzeichen von Flüssigkeitsmangel. Selbstverständlich eine völlig aus der Luft gegriffene lächerliche Behauptung. Aber eine, die funktioniert hat. Man hat uns ein neues Schuldgefühl eingeredet. Das Gefühl, schuldhaft zu wenig zu trinken. So, wie man uns auch einredet, zu wenig Vitamine, Mineralstoffe und probiotische Omega- 3 -Fettsäuren oder was weiß ich zu uns zu nehmen. Dabei ist doch in unseren Tagen für jeden sichtbar, dass das zu viel unser Problem ist und nicht das zu wenig. Wir leiden eher am zu groß als am zu klein. Die meisten Mangelerscheinungen, die die Werbung uns suggeriert, gibt es in westlichen Industrienationen überhaupt nicht. Einige sind gar nur im Labor bei Versuchstieren zu erzeugen, wenn man sie wochenlang total einseitig ernährt. Man hat uns also bei unserer Eitelkeit, unseren Minderwertigkeitsgefühlen und unseren Ängsten gekriegt. Wobei » man« das interessanteste Wort im vorangegangenen Satz ist. Wer ist » man«? Kennen wir den? Die Pharaonen von Danone und Nestlé? Sind die tatsächlich so mächtig? Diese Ideologien finden wir ja nicht nur in der Werbung, sondern überall in der Öffentlichkeit. In Artikeln über Gesundheit
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