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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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inoffiziell von den Sicherheitsleuten dieser alten Bibliothek da drüben kontrolliert wird«, flüsterte Ant. »Eine Security-Firma. Rausschmeißer-Typen. Ihr müsst immer daran denken, dass sie absolut nichts zu sagen haben – außer man gehört zur Universität. Seht euch einfach mal um und denkt über die vielen Möglichkeiten nach.«
    »Auf der gegenüberliegenden Seite sehen Sie die Bodleian Bibliothek«, fuhr der Führer mit erhobener Stimme fort, um Ant zu übertönen. »Sie wurde während der Regierungszeit Königin Elizabeth der Ersten von Sir Thomas Bodley gegründet.«
    »Jeder, der nach Oxford kommt«, sagte Ant, ohne auf die Unterbrechung zu achten, »wird irgendwann auf diesem Platz hier landen. Kann man ja auch verstehen. Es ist der schönste Platz im ganzen Land. Wir könnten Coffin samt Flöte und Instrumentenkoffer für milde Gaben an dieser Mauer postieren. Gren könnte mit seinem Schild Heimatlos und hungrig da drüben sitzen, sozusagen als interessanter Kontrast zu Größe und Reichtum des College hinter ihm.«
    Bleich und dünn auszusehen war Grens Spezialgebiet, wenn er sich nicht gerade um Fortbewegungsmöglichkeiten kümmerte. Seine langen, knochigen Zehen lugten aus den Löchern seiner Turnschuhe, seine Ohren standen weit von seinem totenkopfartigen Gesicht ab, und seine zerlumpten Ärmel schlotterten um seine dünnen Arme. An einem kalten, verregneten Morgen brachte Gren fast ebenso viel ein wie Coffin mit seiner Flöte. Dabei konnte man das Schild Heimatlos und hungrig noch nicht einmal als Lüge bezeichnen: Gren war tatsächlich immer hungrig, ganz gleich, wie viel er aß. Sein Körper schien jegliche Nahrung einfach zu verbrennen. Und was die Heimat anging, so definierte sie sich allenfalls über die Familie, nicht jedoch über ein Dach über dem Kopf.
    »Wir könnten natürlich Ärger mit der Konkurrenz bekommen«, fuhr Ant fort. »Schließlich ist dieser Platz hier erste Wahl für unser Geschäft. Bestimmt haben auch andere Händler und Straßenmusiker ein Auge darauf geworfen. Aber Dime und ich halten euch den Rücken frei. Und selbstverständlich zahlen wir unsere Einnahmen wie immer bei einer Bank ein.«
    »In der Bodleian Bibliothek existiert ein Exemplar von jedem Buch, das je in englischer Sprache veröffentlicht wurde«, verkündete der Führer großspurig.
    Genau in diesem Augenblick ging eine junge Frau vorüber, hörte den letzten Satz und lachte laut heraus. »Wo mag er das herhaben?«, wandte sie sich an Angel. »Ich habe gerade probiert, ein Buch von Maria Taylor zu bekommen – sie sagen, sie müssten es aus Rom besorgen.«
    Angel starrte sie verständnislos an. Was wollte diese Frau von ihr? Wieso sprach sie sie an? Sie hatte noch nie im Leben von Maria Taylor gehört.
    Kate Ivory – denn sie war es natürlich, die ihrer Neigung frönte, wildfremde Menschen auf der Straße anzusprechen – fühlte sich angesichts von Angels Ausdruck eine Sekunde lang verunsichert. In den Augen der jungen Frau zeigte sich nicht nur Verständnislosigkeit, sondern sie wirkte, als wäre ihr Geist vollständig abwesend. »Oh Verzeihung«, entschuldigte sie sich. »Viel Spaß noch bei der Führung, und nichts für ungut.«
    »Hierher, Angel!« Ant wurde allmählich ärgerlich. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass wir mit Fremden nichts zu tun haben wollen! Du und Coffin, ihr kommt jetzt sofort zu mir.«
    »Lassen Sie sich bloß nicht so bevormunden!«, flüsterte Kate Angel zu. »Treffen Sie Ihre eigenen Entscheidungen. Auf die Dauer ist das einfacher, glauben Sie mir.«
    Angel schüttelte den Kopf, aber sie schenkte Kate ihr schüchternes Lächeln, ehe sie sich den anderen zuwandte. Ant sah Kate nach, die den Platz verließ und in die Brasenose Lane verschwand.
    »Was ist das da drüben für ein Gebäude?« Dime hatte es aufgegeben, Ants endlosen Auslassungen zuzuhören, und sprach zu Ants größtem Missvergnügen mit dem Stadtführer.
    »Das ist All Souls«, erklärte der Stadtführer und freute sich, dass wenigstens einer in der Gruppe ihm zuhörte. »Und da in der Mitte, das ist die Radcliffe Camera.«
    »Ich wollte, ich hätte eine Kamera«, seufzte Dime. »Wenn ich eine Kamera hätte, könnte ich Bilder von Angel machen.«
    »Und nun betreten wir die Bodleian Bibliothek«, rief der Stadtführer. Er hatte Schwierigkeiten, Dimes Gedankengängen zu folgen. Mit hochgehaltenem Regenschirm ging er voraus in den goldenen Innenhof, dessen Wände große Fenster zierten und in dessen Mitte

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