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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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grundsätzlich aus dem Weg. Er würde sie vermutlich ein paar Wochen nicht anrufen. Irgendwann, wenn es ihm passte, würde er einfach in ihr Leben zurückkehren und erwarten, dass alles so weiterging wie früher. Nie mehr würde er den Anlass ihrer Auseinandersetzung erwähnen. Sie würde verletzt und zurückgestoßen reagieren, aber nichts sagen. Allerdings erwies sich diese Art emotionalen Durcheinanders beim Schreiben eines Buches alles andere als hilfreich.
    Eigentlich hatte Kate vorgehabt, noch ein weiteres Diskussionsthema anzuschneiden. Doch Liam hatte sich wieder über seine Zeitung gebeugt, und sein Gesichtsausdruck machte ihr nicht viel Mut. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass er nicht gerade der ideale Mann für eine Beziehung war. Aber sie war gern mit ihm zusammen, solange er sich nicht gerade hinter der Sonntagszeitung vergrub. Im Grunde ärgerte sie sich, dass sie ihn so gern hatte; anders wäre es einfacher gewesen, ihm den Laufpass zu geben. In solchen Dingen war sie sowieso nicht besonders gut. Irgendwie blieb sie immer in ihren Beziehungen hängen, ganz gleich, wie unbefriedigend sie verliefen. Ihre Freundin Camilla führte das auf die Tatsache zurück, dass sie ihren Vater in sehr jungen Jahren verloren hatte, als sie noch leicht zu beeinflussen war.
    »Was kann ich denn dagegen tun?«, hatte sie nach einem besonders verheerenden Lebensabschnitt gefragt.
    »Ich bezweifele, dass du überhaupt etwas dagegen tun kannst«, hatte Camilla erwidert. »Vermutlich ist es längst zu spät. Seit fünfzehn Jahren lebst du deine Beziehungen nach einem immer wiederkehrenden, zerstörerischen Muster. Ich glaube, du bist ein für alle Mal geprägt. Wenn du wirklich etwas verändern wolltest, ginge es wahrscheinlich nur mit einer teuren Therapie.«
    »Hast du je die Erfahrung gemacht, dass so etwas funktioniert?« Kate fühlte sich angesichts Camillas Einschätzung ihrer Person tief betroffen.
    »Nein. Du etwa?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Immerhin«, hatte Camilla nach einer kurzen Pause festgestellt, »deine Unfähigkeit, gute Beziehungen mit Männern zu führen, wirkt sich für deine Freundinnen ausgesprochen positiv aus, weil du nämlich immer da bist, wenn man dich braucht. Du bist eine wirklich zuverlässige Freundin.«
    Wahrscheinlich machte sie dieser Charakterzug auch zu einer zuverlässigen Geliebten. Zumindest zu einer, die nicht viel verlangte. Ein Mann konnte sie so schlecht behandeln, wie er wollte – sie war immer da, wenn er zurückkam und um Verzeihung bat. Eines Tages würde sie etwas dagegen tun müssen. Aber vielleicht hatte Camilla Recht, und sie konnte gar nichts verändern. Doch schnell meldete sich Kates natürlicher Optimismus zurück: Was wusste Camilla schon über sie? Schließlich war sie keine Expertin. Immerhin zeigte Kate in anderen Bereichen ihres Lebens Stärke und Selbstbewusstsein – wenn Liam schlecht gelaunt war, bezeichnete er sie sogar als aggressiv. Mit einiger Übung könnte sie es vielleicht schaffen, sich in ihren Beziehungen zu Männern nicht mehr wie eine ausgemachte Idiotin zu benehmen. Falls sie sich überhaupt ändern wollte.

    Heute Morgen habe ich Kopfschmerzen . Hinter meinen Augen sitzt ein schwarzer , schlecht gelaunter Vogel und schlägt mit den Flügeln gegen die Gefängnismauern meiner Stirn . Gestern war er auch schon da , und morgen wird er zweifellos wiederkommen .
    Sie sagen , meine Kopfschmerzen rühren daher , dass ich zu viel denke . Aber wie könnte ich das unterbinden?
    Sie sagen , ich solle auf die grünen Wiesen und die Hügel schauen und meinem Kopf Ruhe gönnen .
    Doch ich will keine Ruhe . Ich will kräftig und stark werden und dann von hier weggehen , um das durchzuführen , was ich tun muss .

    Die Handschrift war wirklich schrecklich. Sie war winzig, und die Buchstaben bestanden fast ausschließlich aus schrägen, parallelen Linien verschiedener Länge. Es gab keine Schleifen, die eine Unterscheidung ermöglicht hätten. Aber das war noch nicht alles. Die Schreiberin hatte das dünne, fast transparente Papier beidseitig beschrieben und dann – als wäre Papier rationiert gewesen – auf sämtlichen Rändern weitergemacht. Man gewann den Eindruck, dass sie es eilig gehabt hatte, ihre Gedanken zu Papier zu bringen, ehe sie von einem Außenstehenden daran gehindert wurde.
    Alle diese Seiten zu entziffern würde viel Arbeit bedeuten. Die Worte schienen auf der Seite zu verschwimmen. Olivia rieb sich die Augen. Sie war müde. Es war

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