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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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Mittagessen einladen lassen, wenn man nicht schleunigst verschwand. Sie dankte dem Professor und seiner Schwester für ihre Hilfe.
    »Wir dachten, dass Sie vielleicht an dem Manuskript interessiert sind«, sagte Frances, »deshalb habe ich es fotokopiert, ehe Sie kamen. Mit der Kopie zu arbeiten ist zwar schwieriger als mit dem Original, aber Sie werden sicher damit klarkommen.« Und sie reichte Kate eine Kopie von Seite dreiundvierzig.
    Nur ganz kurz überlegte Kate, ob sie die Geste als Einladung verstehen sollte, sich der Fassung von Olivia zu bemächtigen. Aber nein – auf einen derart abwegigen Gedanken würde Frances niemals kommen. Brendan vielleicht? Jedenfalls sah Kate im Besitz der Fotokopie einen Grund mehr, zumindest den Versuch zu wagen, ein paar Seiten mehr von Olivias Arbeit auszuborgen.
    Auf dem Heimweg fragte sie sich allerdings, warum während des ganzen Gesprächs nicht ein einziges Mal erwähnt wurde, dass »Tringham« der Name war, unter dem Charles Dickens ein Haus für sich und Nelly Ternan angemietet hatte.

    Die Straße zwischen Garsington und Cowley ist lang, gerade und wenig befahren. Kate stand neben ihrem auf dem Seitenstreifen abgestellten Wagen und spähte in beide Richtungen. Kein anderes Auto war zu sehen. In der Ferne erhoben sich die unverkennbaren Umrisse der ehemaligen Rover-Fabrik ein wenig näher die graue Masse eines Gasometers. Nirgends ein Haus, nirgends eine Telefonzelle. Nachdem Kates Auto schon während der letzten paar Meilen einige befremdliche Geräusche von sich gegeben hatte, begann es schließlich derart unkontrolliert zu ruckeln, dass sie besorgt an den Straßenrand gefahren war.
    Sie nahm die Handtasche heraus, schloss den Wagen ab und machte sich zu Fuß auf den Weg zur nächsten Werkstatt. Gott sei Dank hatte sie bequeme Schuhe an.
    Kate war etwa eine Viertelmeile gelaufen – immer noch konnte sie einen tröstlichen Ausblick auf ihr Auto erhaschen, wenn sie sich umdrehte –, als plötzlich ein Wagen neben ihr abbremste. Gleich käme wahrscheinlich der Satz: »Na, Süße, darf ich dich ein Stück mitnehmen«, den sie auf einsamen Straßen immer befürchtete.
    »Ist das Ihr Fahrzeug, das da hinten auf dem Randstreifen parkt, Madam?«
    Es war ein netter, adretter Polizist in einem netten, sauberen Polizeiauto. Lächelnd drehte sie sich zu ihm um.
    »Hallo Kate.« Er schien nicht im Geringsten überrascht, sie zu sehen. Es war Paul Taylor. Ihr Lächeln erlosch. Sie hasste es, in seinen Augen jedes Mal wie eine komplette Idiotin dazustehen – aber anscheinend war das ihr Schicksal.
    »Ich dachte, ich könnte Sie vielleicht zur nächsten Telefonzelle mitnehmen. Sie sind doch hoffentlich Mitglied in einem Automobilclub?«
    »Ich hatte mir zwar schon seit einiger Zeit vorgenommen, in einen solchen Verein einzutreten, aber irgendwie bin ich bisher nicht dazu gekommen. Woher wussten Sie, dass ich es bin?«
    »Erstens kenne ich die Zulassungsnummer Ihres Wagens, und zweitens sind Ihr blondes Haar und Ihr entschlossener Gang unverkennbar. Warum steigen Sie nicht ein?«
    »Ist das gestattet?«
    »Wahrscheinlich nicht. Aber wenn jemand nachfragt, wird mir schon etwas einfallen.«
    »Und wo fahren wir hin?«
    »Zum nächsten Abschleppdienst.«
    »Aber es muss einer sein, den ich mir leisten kann.«
    »Ich werde sehen, was sich machen lässt.«
    Es hatte etwas ausgesprochen Beruhigendes, Paul Taylor die verstreuten Bruchstücke ihres Lebens übernehmen und in eine vernünftige Reihenfolge ordnen zu lassen. Doch da gab es ein gravierendes Problem: Wenn sie Paul auch nur geringfügig ermutigte, wäre er nur allzu gern bereit, das große, unüberschaubare Durcheinander ihres Gefühlslebens zu übernehmen, sich in seiner Mitte festzusetzen, es zu sortieren und es sauber, nett und aufgeräumt aussehen zu lassen. Kate war sich sicher, dass ihr Leben in diesem Fall ruhig und vorhersehbar verlaufen würde. Für Liam wäre dann kein Platz mehr. Allerdings war sie sich durchaus nicht so sicher, ob sie das wirklich wollte.
    Sie betrachtete Pauls wohlgeformtes, zuverlässiges Profil, während er sie in der ihm eigenen, souveränen Art in die Stadt zurückfuhr. Sie hatte noch viel Zeit. Sie war jünger als Olivia. Sie brauchte sich noch nicht mit Entscheidungen zu plagen, die Einfluss auf ihr gesamtes weiteres Leben haben würden.

    Angel saß in ihrem Zimmer auf dem Bett. Es war dämmrig, dennoch hatte sie weder die Vorhänge zugezogen noch das Licht angeknipst. Im Dunkeln ließ es sich

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