Morgen trauert Oxford
allerdings eine monatliche Grundgebühr entrichten, die ziemlich niedrig ist – und nur dann dicke Rechnungen bezahlen, wenn Sie tatsächlich einmal telefonieren.«
»Warum sollte ich jemanden vom Handy aus anrufen? Ich habe einen höchst funktionstüchtigen Festnetzanschluss.«
»Wenn Sie das nächste Mal auf einer einsamen Straße eine Autopanne haben, oder …« Er holte tief Luft, als ahne er, dass sie gleich ärgerlich werden würde. »… oder in Gefahr geraten, können Sie mich anrufen.« Eilig, ohne ihr Zeit für Einwände zu lassen, fuhr er fort: »Sehen Sie hier die Kurzwahltasten? Ich habe sie bereits programmiert. Wenn Sie hier drauf- und dann O. K. drücken, wird automatisch meine Nummer angewählt. Und hinter dieser Taste verbirgt sich die Nummer einer zuverlässigen Autowerkstatt. Verstanden?«
»Ja sicher. Ich habe durchaus keine Angst vor moderner Technik«, gab sie zurück. Ich habe nur Angst vor Leuten, die sich ohne zu fragen in mein Leben drängen und mich beschützen wollen. Auch wenn es sich um den freundlichen, zuverlässigen Paul Taylor handelt. Oder vielleicht gerade, wenn es sich um den freundlichen, zuverlässigen Paul Taylor handelt.
»Kommen Sie, trinken Sie Ihren Kaffee«, sagte sie und ging ins Wohnzimmer. Sie nahm ihr Weinglas vom Kaminsims und schenkte sich nach.
Das Geschenk war wirklich großzügig. Zum Dank dafür wollte sie sich bemühen, Paul Taylor zuvorkommend und wohlwollend zu behandeln – wenigstens für eine halbe Stunde. Vielleicht würde sie ihm sogar erzählen, was sie an jenem Nachmittag an der Tür des leer stehenden Juwelierladens beobachtet hatte. Wer weiß, ob nicht für einen Polizeibeamten die ein oder andere Rosine in der Geschichte steckte.
Kaum hatte Paul Taylor jedoch seinen Kaffee getrunken, als er sich bereits entschuldigte und verschwand. Er nahm sich nur noch die Zeit, ihr das Versprechen abzunehmen, das Handy immer bei sich zu tragen. Später würde sie ihm erklären müssen, dass sie keine Gelegenheit gefunden hatte, ihm ihre Beobachtung mitzuteilen.
Schon früh am Morgen hatte Ant das Haus in Ost-Oxford verlassen und war zu seinem Geschäft geradelt. Ihm war froh zu Mute. Zwar pflegte er in einem solchen Fall nicht unbedingt fröhliche Melodien auf der Flöte zu spielen wie Coffin, und stopfte sich auch nicht, wie es Dime gern tat, gleich eine halbe Pizza auf einmal in den Mund – trotzdem wusste die Familie sofort, wenn Ant bester Laune war. Die anderen kümmerten sich um den Haushalt und würden anschließend zur Arbeit gehen. Ant hatte gute Stellen ausgesucht, und – er blickte auf die Uhr – in einigen Stunden würde er die ersten Einnahmen abholen. Bei einem Bettler sah es nicht gerade Vertrauen erweckend aus, wenn sich zu viel Geld ansammelte. Entweder wurde es von irgendeinem Rabauken geklaut, oder die Passanten nahmen an, dass es einem gut genug ging, und liefen einfach vorüber. Gren würde für zwanzig Minuten den Laden übernehmen, während Ant sich um die Einnahmen kümmerte.
Endlich besaß Ant den Laden, den er sich immer gewünscht hatte. Zumindest als Einstieg. Natürlich würde er sich auf Dauer nicht mit solchen Kleinigkeiten begnügen. Er hatte ein kleines Startkapital zusammengespart, und er war ehrgeizig. Der Laden war die erste Stufe auf seinem Weg zur Respektabilität. Und eine natürliche Weiterentwicklung nach dem Eindringen in fremde Häuser. Normalerweise brachen sie in Wohnungen ein, wechselten die Schlösser, wohnten eine Weile dort und zogen schließlich weiter. Warum sollte man nicht das Gleiche mit Läden versuchen? Einbrechen, Schlösser wechseln, schnell verkäufliche Ware einlagern, Profit machen und verschwinden. Grens gefälschte Mietverträge konnten ihnen die Bürokraten mindestens einen Tag lang vom Leib halten, falls jemand auf die Idee kam, herumzuschnüffeln. Dann würden sie eben schnell ihre Siebensachen packen und in eine andere Stadt verschwinden.
Der Standort war geradezu ideal. Zwei Minuten zu Fuß vom Marktplatz entfernt. An Markttagen würden wahrscheinlich Massen von Leuten vorbeiströmen, jedermann auf der Suche nach Schnäppchen. Sie würden alles kaufen, dachte Ant, vom Plastikeimer bis zum Röhrenradio. Dank Grens Kontakten hatten sie alles Mögliche für den Laden besorgen können. Zwar war es nicht viel, aber sie verfügten über einige bunte, billige Stücke, die sicherlich Käufer anlocken würden.
Bei den Dingen, die er aus dem Haus mitgenommen hatte, war er sehr umsichtig
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