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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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Preisliste für Kohlsorten handelte.«
    »Auf mich hat sie nicht unbedingt einen mütterlichen Eindruck gemacht«, sagte Kate.
    »Wer weiß?«, gab Frances zu bedenken. »Vielleicht hat sie sich in ihren frühen Zwanzigern für eine akademische Laufbahn entschieden, in der Kinder keine Rolle spielten. Und jetzt erkennt sie die Tragweite dieser Entscheidung. Ihr bleibt nicht mehr viel Zeit, etwas dagegen zu tun, sie kann sich aber noch nicht von ihrem Wunschtraum trennen. Jedenfalls glaube ich, dass dieser Interessenkonflikt ihre Urteilsfähigkeit beeinträchtigt.«
    Kate fühlte sich versucht, sie auf den altmodischen Sexismus ihrer Bemerkung hinzuweisen, wollte es jedoch nicht auf einen Streit mit Frances Adams ankommen lassen. »Sie glauben also, dass sie überall Babys sieht?«, fragte sie stattdessen. »Selbstverständlich im übertragenen Sinn.«
    »Sie scheint zu glauben, dass die Manuskripte voller Geschichten über Geburt und Tod von Kindern sind. Möglicherweise hat sie ja sogar Recht, aber Brendan und ich wollten sicherstellen, dass keine Missverständnisse auftauchen.«
    »Und was haben Sie gefunden?«
    »Sie verstehen sicher, dass dieses einzelne Blatt nicht unbedingt repräsentativ für das Ganze ist«, antwortete Frances.
    »Natürlich. Und weiter?«
    »Was wir bisher entziffert haben, sind scharfzüngige Beschreibungen des Lebens einer Dame der Gesellschaft in Nord-Oxford um achtzehnhundertsechzig. Zwischen den Zeilen deutet sich an, dass Maria sich unendlich langweilte. Und tatsächlich verweisen einige Zeilen auf Nelly; allerdings scheint Maria lediglich froh zu sein, dass ihre Schwester den guten Ruf der Familie nicht durch Dummheiten in Verruf gebracht hat.«
    »Oh!« Kate konnte ihre Enttäuschung nicht ganz unterdrücken. Sie hätte sich ein paar ordentliche Dummheiten gewünscht.
    »Nun, ich hatte Sie gewarnt, dass wir es hier möglicherweise nur mit Wäschelisten zu tun haben.«
    »Und wie geht es jetzt weiter?« Kate musste zusehen, wie ihr Traum von pikanten Einzelheiten im Wind der Realität zerstob.
    »Schauen Sie sich das Blatt noch einmal genau an. Wie Sie sehen, ist es oben rechts nummeriert. Das bedeutet, dass Olivia Blacket es bereits übertragen und in ein Verzeichnis aufgenommen hat.«
    »Und jetzt möchten Sie wissen, wie Dr. Blackets Übertragung aussieht und ob sie mit der von Ihnen erstellten übereinstimmt.«
    »Natürlich ist unsere Version noch lange nicht vollständig«, sagte Frances. »Außerdem verfügen wir über weit weniger Material als Dr. Blacket. Auch wir können uns getäuscht haben …«
    »Sicher können wir das«, unterbrach Brendan, »aber Kate hat Recht: Nur allzu gern würden wir Olivias Fassung in die Finger bekommen. Leider sieht es so aus, als müssten wir bis zur Veröffentlichung warten.«
    »Könnten Sie nicht versuchen, die entsprechende Seite ›auszuborgen‹?«, fragte Kate, deren Gedanken gerne unkonventionelle Wege gingen.
    »Sie scheint sie nicht in ihrem Arbeitszimmer in Nord-Oxford aufzubewahren«, antwortete der Professor vorsichtig.
    Kate überlegte, ob der Hund Ludo möglicherweise darauf dressiert war, interessante Dokumente zu erschnüffeln, doch beim Gedanken an seine Größe und die Schärfe seiner Zähne ließ sie die Idee wieder fallen.
    »Wenn das Manuskript nicht bei ihr zu Hause ist, können wir wahrscheinlich davon ausgehen, dass sie es in ihrem Dienstzimmer in der Fakultät aufbewahrt«, stellte Kate fest.
    »Vermutlich«, stimmte Brendan zu.
    »Wieso besuchen Sie sie nicht einfach und stellen fest, ob Sie es finden können?«, erkundigte sich Kate.
    »Um Himmels willen«, sagte Brendan schockiert, »so etwas würde ich nie tun.«
    »Nicht im College«, fügte Frances hinzu. »Das geht einfach nicht.«
    Versteh mir einer Oxfords Akademiker, dachte Kate. Anscheinend schien es allenfalls witzig, einen Status als Vorgesetzter und eine Bestie von Hund zu missbrauchen, um sich bei jemandem zu Hause einzuschleichen und ihm etwas zu stibitzen. Doch das Gleiche im College? Um Himmels willen! Undenkbar!
    Kate jedoch, die ihre Studien ausschließlich in der Universität des Lebens absolviert hatte, kannte solche Skrupel nicht.
    Sie stand auf und bemühte sich vergeblich, dicke Büschel hellbrauner Hundehaare von ihrer Hose zu klopfen. Eigentlich wäre sie gerne noch geblieben, um zu erfahren, was die beiden noch über Dickens und die Ternans wussten, doch allmählich rückte die Zeit heran, wo es so aussah, als wolle man sich zum

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