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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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einfach um das Material?«, erkundigte sich Kate.
    »Dr. Blacket hat die Dokumente aus ihrem alten College mitgebracht«, erklärte Brendan. »Aus dem College, wo sie studiert hat. Ich als Professor am Leicester habe daher keinerlei Recht, sie um Herausgabe zu bitten. Allerdings habe ich durchaus versucht, ein wenig Druck auszuüben …« Wieder unterbrach er sich. Offenkundig wollte er das Thema nicht weiter vertiefen. Kate dachte an Ludos scharfe Zähne und fragte sich, ob Brendan den Hund nicht mehr bei Olivia abgeben würde, wenn sie ihm Zugang zu den Ternan-Papieren gewährte.
    »Wenn sich aber Dr. Blacket mit dem Material beschäftigt und es transkribiert oder was Geisteswissenschaftler auch immer mit beschriebenem Papier anfangen …«
    »Wir nennen diese Papiere Manuskripte«, flüsterte ihr Frances ins Ohr.
    »Gut, aber was hat das Manuskript dann hier zu suchen? Weiß Olivia, dass es hier ist?« Kate überlegte, ob die Adams’ sie nun hinauswerfen würden, doch Brendan strahlte sie verständnisvoll an. Sein Lächeln galt ihren Beinen, ihren großen, grauen Augen und ihrem kurz geschnittenen blonden Haar, aber es drückte auch ein deutliches Wohlwollen gegenüber ihrem Scharfsinn aus. Kate begann, Professor Adams sympathisch zu finden. Er war viel zu schade für Olivia Blacket, dachte sie.
    »Habe ich vielleicht vergessen zu erwähnen, dass wir uns im Augenblick ein wenig Sorgen um Dr. Blacket machen?«, bemerkte er.
    »Ehrlich gesagt schätze ich ihre sozialen Fähigkeiten nicht allzu hoch ein«, gab Kate zurück, »aber ich dachte, dass so etwas unter Oxfords Gelehrten gang und gäbe ist.«
    »Das meine ich nicht«, sagte der Professor. »Es geht nicht um ihre manchmal erschreckende Unhöflichkeit. Sie war immer schon biestig, zumal gegenüber ihren Geschlechtsgenossinnen, nicht wahr, Frances?«
    Frances nickte, dass das Sofa erbebte. »Ich fürchte, das ist richtig.«
    »Nein, dieses Mal ist es etwas anderes. Sie fängt an, wirklich absonderlich zu reagieren, wenn es um Maria Taylors Aufzeichnungen geht. Sie hat eine absolut festgelegte Meinung darüber, wovon dieses Manuskript handelt. Ich bin sicher, Sie verstehen, dass man sich einem neuen Werkstück nicht auf diese Weise annähern sollte. Man muss offen sein und bereit, alles Mögliche darin zu entdecken.«
    »Sogar die Existenz von unehelichen Kindern?«
    »Oder auch, dass es sich vielleicht wirklich nur um Wäschelisten und Berichte über Besuche bei der Frau des Pfarrers handelt.«
    »Haben Sie deswegen einen der Briefe mitgehen lassen? Weil Sie selbst wissen wollten, um was es darin geht?«
    »Ich würde den Ausdruck ›geborgt‹ bevorzugen, aber im Prinzip haben Sie Recht.«
    »Könnten Sie mir sagen, was Olivia Blacket zu finden hofft?«
    »Olivia ist geradezu besessen von Babys«, antwortete Frances. »Vielleicht liegt es an ihrem Alter. Jenseits der dreißig tickt nun einmal die biologische Uhr; irgendwann muss man sich entscheiden, ob man die Karriere an den Nagel hängt, einen Mann sucht und Kinder bekommt oder ob man diese Möglichkeit für immer ad acta legt. Es bleiben nicht mehr viele Jahre, in denen beide Optionen offen stehen.«
    Hinter Frances hing eine aus goldfarbenem Holz geschnitzte Madonna mit Kind an der Wand. Der Kopf der Mutter neigte sich zärtlich ihrem Kind zu, und das Kind streckte vertrauensvoll sein Händchen nach der Mutter aus.
    »Wie soll ich den Ausdruck ›besessen von Babys‹ verstehen?«, fragte Kate. »Ich dachte, jedermann wäre erpicht darauf, einen Beweis dafür zu finden, dass Charles Dickens und Ellen Ternan mindestens eins, möglicherweise sogar zwei uneheliche Kinder hatten. Leider hat der gerissene Kerl jeglichen Hinweis beseitigt. Aber würde sich wirklich jemand die Mühe machen, Marias Papiere zu sichten, wenn er nicht auf einen handfesten Skandal im Umfeld einer unserer literarischen Größen hoffte?«
    Frances blickte ausgesprochen missbilligend drein. »Genau das meine ich, wenn ich von Offenheit beim Lesen der Aufzeichnungen spreche. Wir interessieren uns für alles, was uns Einblick in das Leben der betroffenen Personen gewährt – nicht nur für Skandale. Was nun aber Olivia angeht, so muss ich sagen, dass ihr Kopf in den letzten Monaten ausschließlich mit dem Gedanken an Babys beschäftigt ist. Ich halte es beinahe für krankhaft. Alles, was sie sieht oder berührt, bringt sie automatisch mit Babys in Verbindung. Ich fürchte, sie sähe auch Babys, wenn es sich lediglich um eine

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