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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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Polizei anrufen.«
    Sie standen an der Haustür. Kate fühlte sich innerlich kalt und tot. Sie wünschte nur noch, dass er endlich ging. Niemand sollte Zeuge ihrer Gefühlsverwirrung werden.
    Irgendwann fühlte sie sich in der Lage, eine weitere Kanne Kaffee zu kochen, und ging nach oben, um Angel zu wecken. Es war höchste Zeit, dass Angel ihr bei Tageslicht gegenübertrat und erklärte, was sie am Mordnachmittag im Leicester College zu suchen hatte. Und zwar in Olivias Büro. Wo sie sich in der Absicht aufhielt, Olivia zu töten, wie sie selbst zugegeben hatte.
    Kate klopfte an die Tür des Gästezimmers. Keine Antwort. Sie öffnete die Tür und rief: »Angel!«
    Doch Angel war nicht mehr da.

    Es war leichter, wenn man etwas zu tun hatte. Das kannte Kate schon von früher. Manchmal konnte man einen Schmerz für mehrere Minuten vergessen, wenn man sich nur richtig beschäftigte.
    Liam am Sonntagnachmittag, wenn er seine Zeitungen in ihrem ordentlich aufgeräumten Wohnzimmer verstreute. Liam am Morgen, wenn sein schlaksiger Körper ihr Bett mit Beschlag belegte. Sein dunkler Schopf auf ihrem Kopfkissen. Seine Zahnbürste in ihrem Bad. Liam am Telefon, wenn er ihr erklärte, dass er zu viel zu tun hatte, um sie während der Woche zu sehen. Liam, der über ganze Wochenenden hinweg unter dem Vorwand, ein Konzert am anderen Ende des Landes besuchen zu müssen, einfach verschwand. Liam und Olivia. Sieben Jahre. Sieben Jahre . Kein Wunder, dass Olivia so unfreundlich zu ihr gewesen war.
    Beschäftige dich. Denk an etwas anderes.
    Kate griff nach dem von Olivia bereits übertragenen Manuskript. Sie kannte weder die wirkliche Bedeutung der Seiten noch wusste sie, ob sie etwas mit dem Mord zu tun hatten. Doch zumindest konnte ihr der Text einen Einblick in Olivias Innenleben unmittelbar vor ihrem Tod verschaffen. Wenn schon ihr selbst die Beziehung zwischen Liam und Olivia so viel zu schaffen machte, wie musste erst Olivia sich gefühlt haben? Hatte sie von Liams Doppelleben mit Kate gewusst? Wenn ein Mann eine Frau schlecht behandelte, war es sehr wahrscheinlich, dass er mit allen anderen Frauen in seinem Leben auf die gleiche Weise umsprang. Vermutlich hatte Liam sie beide angelogen. Kate kannte Liam erst seit dem Frühjahr. Olivia hatte seine kurz angebundene Art sieben Jahre lang ertragen müssen. Und für sie war Kate die andere Frau gewesen. Was war wohl in den Tagen vor ihrem Tod in ihrem Kopf vorgegangen?
    Kate wandte sich den Seiten des Ternan-Manuskripts zu.

    Solche Ereignisse kommen in London bestimmt häufiger vor . Hier in Oxford jedoch wäre der Tod eines Kindes Grund genug für eine Schlagzeile in der Tageszeitung .

    Sie konsultierte ihre eigene Version der entsprechenden Passage. Zwar war die Handschrift des Originals schwierig zu entziffern, doch hier hatte Olivia sich eindeutig geirrt. Ihre eigene Übertragung begann zwar ganz ähnlich, änderte sich dann aber deutlich. Kate hatte den Eindruck, als hätte Olivia zunächst zwar die Worte gelesen, die in dem Manuskript standen, sich dann aber in ihre eigene Welt entführen lassen, in der es ständig um Kinder und Tod ging. Ein Stückchen weiter stand:

    Ich glaube , man nennt so etwas » häuten «. Ein kleines Kind , dessen Mutter sich mit einer Freundin unterhielt und kurz abgelenkt war , lief auf die Straße . Nein , das Kind war noch zu klein . Es konnte noch nicht laufen .

    Daisy. Olivia hatte über Daisy geschrieben. Angel hatte Recht gehabt. Olivia hatte sich Vorwürfe gemacht, weil sie sich schuldig am Tod des Kindes fühlte. Sie hatte einen guten Anwalt genommen und war mit einer vergleichsweise geringfügigen Geldstrafe davongekommen – aber hätte nicht jeder versucht, eine Gefängnisstrafe zu umgehen? Jedenfalls schien ihr schlechtes Gewissen ihr keine Ruhe zu lassen.
    Kate hatte sich schon länger gefragt, was in Olivia vorging. Seit sie Daisys Geschichte kannte, passte mit einem Mal alles zueinander. Olivia hatte nicht mehr gelesen, was auf dem Papier stand, sondern hatte die Wörter aufgeschrieben, die sich in ihrem Kopf befanden.
    Eine Weile dachte Kate über ihre These nach, dann fiel ihr auf, dass noch mehr dahinter stecken musste. Wenn man ein Kind hatte und dieses Kind starb, konnte man es nie mehr vergessen. Auf Angel traf es zu. Aber traf es vielleicht auch auf Olivia zu? Falls es zutraf, würde man darüber nachdenken müssen, wer der Vater des toten Kindes gewesen sein mochte. Das jedoch war etwas, worüber Kate sich im Augenblick

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