Morgen trauert Oxford
die ein oder andere Weise nach einem Sinn dahinter suchen.«
»Genau das empfinde ich auch.«
»Wie wäre es mit heute Nachmittag«, schlug der Professor vor.
»Sehr gut. Um wie viel Uhr?«
»Sagen wir: zwei Uhr. Ach, und Kate …«
»Ja?«
»Könnten Sie vielleicht alle in Ihrem Besitz befindlichen Seiten des Ternan-Manuskripts mitbringen? Und natürlich Olivias Übertragung.«
»Gern. Bis heute Nachmittag.«
Kate beendete die Verbindung. Das Handy piepste sie freundlich an.
Brendan hatte geklungen, als ob er allmählich über Olivias Tod hinwegkam. Zumindest war er längst nicht mehr so verwirrt wie am Vortag, und einer seiner ersten Gedanken galt dem Ternan-Manuskript.
Und nun auf nach Oxford! Die Familie musste gefunden werden. Kate schlüpfte in eine Jeans und entschied sich nach kurzem Nachdenken für ihre bequemsten Laufschuhe. Sie hatte das Gefühl, dass sie sie brauchen würde.
Inzwischen war noch eine weitere Frage aufgetaucht, die sie Angel stellen wollte. Wer hatte ihr die Puppe gegeben? Kate war sich nicht sicher, ob die Antwort auf diese Frage überhaupt von Bedeutung war, aber es handelte sich um ein Puzzle-Teilchen, das dem Gesamtbild hinzugefügt werden musste. Außerdem hielt es sie davon ab, ständig an Liam zu denken.
Das kühle Nieselwetter machte es Oxfords Straßenmusikern nicht leicht. Die wenigen Passanten eilten mit tief in die Stirn gezogenen Kapuzen und gesenkten Blicken an ein paar unentwegten Bettlern vorüber, die vergeblich die Hände nach ihnen ausstreckten.
Wo hatte sie die Familie zuletzt gesehen? Am Radcliffe Square, vor dem Sheldonian Theatre, auf der Broad Street. Kate durchkämmte das Stadtzentrum, warf einen Blick in die Catte Street und ging die Brasenose Lane entlang, doch nirgends waren Grens ausgemergelte Gestalt oder Dimes rot-weiß kariertes Hemd zu entdecken. Sie blieb stehen und lauschte. Hörte sie vielleicht irgendwo Coffins Flöte? Doch die einzig vernehmlichen Musikklänge stammten von einem Geiger vor dem Brasenose College, der Coffin bei weitem nicht das Wasser reichen konnte.
Kate kehrte um, ging die Broad Street entlang und wandte sich in Richtung Bahnhof.
Sie fand die Familie am Busbahnhof Gloucester Green. Das Geschäft schien nicht sonderlich gut zu gehen, obwohl die Familie sich der Menschenmassen annahm, die aus den Fernbussen quollen. Coffin spielte ein verzweifelt heiteres Stück. Regentropfen glitzerten wie winzige Perlen in seinen Haaren. Ein braun-weißer Hund schnüffelte an seinen Schuhen. Ohne sein Spiel zu unterbrechen, lächelte Coffin zu ihm hinab. Daraufhin rollte sich der Hund zufrieden zu seinen Füßen zusammen, legte ihm den Kopf auf die Füße und schloss die Augen. Drei Passanten sahen den Hund, bekamen einen weichen Blick und warfen Münzen in Coffins aufgestellten Hut. Angel hatte Kate von Coffins Begabung im Umgang mit Hunden erzählt; jetzt konnte Kate sich mit eigenen Augen davon überzeugen. Vielleicht sprach der junge Mann zu Tieren auf eine Art, die ihm Menschen gegenüber verwehrt blieb.
Gren saß mit ausgestreckten Beinen auf dem Bürgersteig. Sein Schild Heimatlos und hungrig balancierte er auf den Knien. Kate ging neben ihm in die Hocke.
»Wie geht’s denn so?«, fragte sie und warf eine Zwanzig-Pence-Münze in seine fast leere Büchse.
Gren bedachte die Münze mit einem schiefen Blick. Eilig legte Kate fünfzig Pence nach.
»Wer sind Sie?«, fragte er. »Müsste ich Sie kennen?«
»Ich bin eine Freundin von Angel«, erklärte Kate.
»Ach ja?«
Eine Ein-Pfund-Münze gesellte sich zu den Geldstücken in der Büchse. Dafür, dass nichts dabei herumkam, wurde die Sache allmählich ziemlich teuer.
»Ich bin auf der Suche nach ihr«, fuhr Kate fort.
»Was wollen Sie von Angel?«, fragte er.
»Ich möchte nur wissen, wie es ihr geht. Ich habe mir Sorgen um sie gemacht.«
»Sie sind also die Bekannte, mit der sie am Mittwoch zusammen war«, stellte Gren fest.
»Wie schon gesagt, wir sind befreundet.« Kate setzte ein entwaffnend freundliches Lächeln auf, das harmlos und durchaus ein wenig dümmlich wirken sollte.
Doch Gren lächelte nicht zurück. »Sie brauchen sich keine Sorgen um Angel zu machen. Wir kümmern uns wirklich gut um sie. Sie gehört zu uns; das haben wir Ihnen klar und deutlich mitgeteilt.«
»Trotzdem würde ich gern mit ihr reden.«
»Alle Welt ist an unserer Angel interessiert.« Diese Feststellung kam von Dime. Der junge Mann mit dem roten Gesicht. »Als ich gerade aus dem Haus
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