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Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Titel: Morgen wirst Du frei sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Martini
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gutsituierten Elternhaus, in dem hochrangige Manager, Politiker und Wissenschaftler sich die Klinke in die Hand gaben. Er spielte den Rohling, den Unangepassten und wollte damit doch nur verbergen, wie empfindsam und verletzlich er war. Das erkannte sogar ich, der Laie. Er nahm jeden Menschen ernst, sich selbst dagegen niemals. Ich mochte ihn.
    Zecke hatte mir erklärt, dass sich meine Gefühle Jessicas Verschwinden betreffend aus verschiedenen Emotionen zusammensetzten, die es zu entschlüsseln und zu verstehen gelte. Ich sollte mir bewusst machen, was in mir vorgeht, dann erst könne ich sie verarbeiten und eines Tages mit dem Kummer abschließen. Und das müsse ich, mit allen Mitteln, betonte er. Ich hätte an mich zu denken, nur an mich. Jessica sei weg, ihr sei nicht mehr zu helfen. Ich sei noch da. Ich zählte. Nur ich.
    »Wir selbst sind für uns die wichtigsten Menschen. Wer das leugnet oder nur an andere denkt, fühlt sich vielleicht toll, aber er wird damit kein besserer Mensch. Nur wenn es uns selbst gut geht, können wir für andere da sein. Stell dir vor, du hast einen gebrochenen Arm. Du kannst damit niemanden aus dem Graben ziehen, der ein verletztes Bein hat. Das gilt auch für Seelen. Versuch es gar nicht erst, es ist sinnlos und letztlich auch verantwortungslos.«
     
    Über diese Worte dachte ich in dieser Nacht noch lange nach. Hatte ich denn nicht schon einmal gezeigt, dass ich an mich denken, mich befreien konnte, notfalls um jeden Preis? Ich hatte meine Mutter getötet.
    Nein, das durfte Zecke niemals erfahren.
     
    Zu Hause lief das Leben entspannter, seitdem sich meine Laune zunehmend besserte. Wir sprachen nur wenig miteinander; beim Essen beredeten wir Notwendiges, tauschten uns über Belangloses aus, waren freundlich und höflich zueinander. Jessica war kein Thema mehr, ihr Name wurde nie mehr erwähnt. Von Zecke hatte ich Thea nichts erzählt.
    Wir folgten unseren eigenen Interessen, hingen Gedanken nach, die wir nicht teilten. Ich unterließ es, Fragen zu stellen, mir selbst und auch Thea. Hinzunehmen, was unabänderlich war, schien ein Weg zu sein, der gangbar für mich war. Und diese Unbekannte, die eines Tages einfach vor meiner Tür gestanden hatte und alles über mich wusste, war und blieb untrennbar mit meinem Schicksal verbunden. Ich akzeptierte es.
     
    Thea kochte, buk, wusch die Wäsche und hielt das Haus sauber. Der Schnee war verschwunden, die Knospen platzten auf, Bäume und Büsche hüllten sich in Zartgrün. Sie grub Beete um und legte neue an, schnitt Sträucher, pflanzte und säte. Ihr genügte die Rolle, die sie angenommen hatte. Sie verlangte nicht mehr als das, was ich zu bieten hatte: ein Leben. Ein bescheidenes, zurückgezogenes zwar, doch es schien zu sein, was sie wollte.
    Ich dagegen hatte zunehmend genug von der Einsamkeit des Dorfes, in dem kein Mensch mit dem anderen sprach, in dem kaum ein Geräusch die Stille störte. Ich hatte entdeckt, dass ich durchaus nicht verklemmt war, nur schüchtern. Ich war kein Langweiler, kein Stubenhocker, kein Mamasöhnchen.
    Nicht mehr.
     
    Ich besuchte Lesungen, ging zu Diskussionsabenden, lernte Schriftsteller kennen und freundete mich mehr und mehr mit Zecke an.
    Wir trafen uns stets in derselben Kneipe, wo das Bier billig und die Atmosphäre entspannt war. Wir redeten über seine Arbeit in der Klinik, sein Studium, seine Praktika, seine Rucksackreisen durch Afrika und Asien, seine Aufenthalte in Entwicklungshilfecamps. Er erzählte von seinem Elternhaus, von wo er ausgezogen war, um in einer verlotterten Bude zu leben.
    »Alles besser, als vom Hauspersonal die gebügelte Serviette gereicht zu bekommen, um sich den Mund abzutupfen, nachdem man Unaussprechliches gespeist hat«, knurrte er.
    Ich lachte. »Bei uns gibt´s Kartoffelsuppe, Schnitzel und Bratkartoffeln. So Zeug.«
    »Mmmh«, machte er. »Wann bin ich eingeladen?«
    Ich zögerte.
    »Okay, einer wie ich ist natürlich nicht vorzeigbar, schon klar«, winkte Zecke ab.
    »Nein! Ich meine, doch. Das wäre wirklich kein Problem«, wehrte ich ab. »Es ist nur ...«
    Er stellte sein Glas ab. »Ja?«
    »Weißt du, ich wohne sehr weit draußen. Auf dem Land.«
    »Und?«
    »Na ja, ich ... Du bräuchtest eine Fahrkarte.«
    »Hab ich. Netzkarte inklusive Außenbereiche.«
    »Hm. Na dann.«
     
    Ich wusste nicht weiter. Auf keinen Fall wollte ich Zecke mit Thea bekannt machen. Zecke war mein Freund und mein Geheimnis. Ich erinnerte mich daran, wie Thea darauf bestanden hatte,

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