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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Wir waren verabredet.« Sie trug ein geblümtes, weit ausgeschnittenes Seidenkleid und roch nach Parfüm und Prosecco.
    »Ich weiß.«
    »Du siehst aber nicht so aus. Willst du etwa so mit uns ausgehen?« Sie musterte missbilligend sein zerknittertes Hemd.
    »Entschuldigung. Ich hab hier gerade ein Riesenproblem.«
    Sie zog eine Grimasse. »Nicht schon wieder, Philipp! Das wird langsam langweilig. Was ist es denn diesmal?«
    »Stell dir vor, ich …« Er unterbrach sich und schüttelte den Kopf. Nein, Vivian hatte Recht. Sie hatten sich in letzter Zeit kaum gesehen und er würde sich diesen Abend nicht von Becker und seinen haltlosen Verdächtigungen ruinieren lassen. Und von V schon gar nicht. »Nicht so wichtig. Ich mach mich kurz frisch, zieh mir ein anderes Hemd an und bin in fünf Minuten bei dir.«
    »Hurra.« Vivian strahlte. »Ich renn mal wieder runter. Jessy hat nämlich keinen Parkplatz gefunden, wir stehen direkt vor der Tür im Halteverbot.«
    »Jessy?«
    »Jessy und André kommen mit. Hatte ich dir doch erzählt.«
    Ihr Blick war nervös und trotzig zugleich. Vielleicht hatte sie es wirklich erzählt. Vielleicht hatte er es nur vergessen. Mach jetzt keine Szene!, sagte sich Philipp und Vivians Gesicht sagte dasselbe. Er atmete tief durch.
    »Ich bin gleich unten.«
    Sie warf ihm erleichtert eine Kusshand zu und hüpfte die Stufen hinunter.
    Er ging ins Bad und wusch sich. Als er sich aufrichtete, sah er sich im Spiegel. Sein nasses Gesicht, die dichten Brauen, die dunklen Augen. Du siehst ihm am ähnlichsten, hatte Julie zu ihm gesagt.Er glich ihm, seinem Vater, den er nicht kannte und vermutlich auch nie mehr kennenlernen würde. Wer bist du?, fragte er sich selbst. Woher kommst du? »Ich weiß es nicht«, murmelte er. Aber V wusste es. V wusste alles über ihn, da war er sich plötzlich ganz sicher.
    Er blieb eine ganze Weile lang so stehen und sah sich an.
    Bis sein Handy klingelte.
    »Wo bleibst du denn?«, zischte Vivian. »Wir warten!«
    »Vivian. Ich komme nicht mit. Ich kann nicht.«
    »Wie bitte?« Er hörte sie nach Luft schnappen. »Das ist jetzt nicht wahr«, flüsterte sie, noch leiser als vorher. »Das kannst du mir nicht antun, Philipp.« Er stellte sich vor, wie sie auf dem Bürgersteig auf- und abging, das Telefon ans Ohr gepresst, während Jessy und André im Auto die Ohren spitzten.
    »Es tut mir leid, Vivian. Aber in meinem Leben ist gerade die Hölle los …«
    »Und was ist mit meinem Leben? Interessiert es dich eigentlich noch, wie es mir geht? Du hast keine Zeit mehr für mich, du findest meine Freunde zum Kotzen, warum sind wir überhaupt noch zusammen?«
    »Jetzt mach mal einen Punkt …«
    »Den mach ich auch«, wisperte sie. »Wenn du mich jetzt hängen lässt, wenn du mir das antust, dann ist Schluss. Dann kannst du mich ein für alle Mal.«
    Danach schwiegen sie beide, weil sie alles gesagt hatte, was zu sagen war, und ihm einfach nichts einfiel, was er hätte entgegnen können.
    »Also gut«, sagte Vivian schließlich und legte auf.
    Während er sich abtrocknete, erschrak er ein bisschen darüber, wie befreit er sich fühlte. War das das Ende ihrer Beziehung? So kurz und knapp, so schmerzlos? So einfach? Hatte sein Vater sich auch so gefühlt, als er mit Philipps Mutter Schluss gemacht hatte? Wie viel Jochen steckte in Philipp? Zuerst Yasmin, nun Vivian. Philipp, der Herzensbrecher, kalt und beziehungsunfähig.
    Er ging zum Kühlschrank und holte sich ein Bier. Plötzlich sehnte er sich nach seiner Mutter, wie er sich weder nach ihrem Tod noch zu ihren Lebzeiten je nach ihr gesehnt hatte. Er sehnte sich so sehr nach ihr, dass er zu heulen begann. Mit der Bierflasche in der Hand stand er in der Küche und heulte, weil seine Mutter tot war.
    Dann klingelte das Telefon. Er stellte das Bier weg, wischte sich mit einem Küchenhandtuch übers Gesicht und räusperte sich.
    »Philipp Preuss.«
    »Hier ist Moritz. Hat Becker dich angerufen?«
    »Er hat behauptet, dass wir miteinander telefoniert haben.«
    »Ich weiß. Von mir wollte er auch wissen, worüber wir gesprochen haben.«
    »Ich hab deine Handynummer auf meiner Verbindungsliste. Keinen blassen Schimmer, wie die da draufkommt.«
    »Warum ist dir das denn vorher nicht aufgefallen?«
    »Ich hab eine Flatrate, ich prüf meine Verbindungen nie.«
    »Wer hat Zugriff auf dein Handy?«
    »Alle möglichen Leute.« Vivian. Frau Klopp. Marcel. Keiner von ihnen hatte einen Grund, mit Moritz

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