Morgen wirst du sterben
zuhielte.
»Deine Ella hat doch gesagt, dass diese Annette als Künstlerin recht erfolgreich war. Dann hat sie auch Ausstellungen gemacht. Und darüber hat sicher die Presse berichtet.«
»Oder auch nicht.«
Sophia seufzte. »Hast du einen besseren Vorschlag?«
Schweigen.
»Wo ist dieses Archiv denn?«, fragte er widerwillig.
»Bayerische Staatsbibliothek, Ludwigstraße 16, du brauchst einen gültigen Leseausweis.«
»Ich muss jetzt eigentlich ins Büro.«
»Philipp«, sagte Sophia. »Irgendjemand versucht uns fertigzumachen. Hast du das denn immer noch nicht begriffen? Wenn wir jetzt nichts unternehmen, hast du bald kein Büro mehr. Und vielleicht auch kein Leben. Willst du nicht langsam mal in die Gänge kommen?«
Er schwieg wieder. Wieso sagte er nichts, wieso war er so stumpf und gleichgültig? Vielleicht hatte Moritz ja Recht und Philipp steckte wirklich selbst hinter der Entführung.
»Sorry, Sophia. Ich hab mich gestern von meiner Freundin getrennt. Und mich hinterher besoffen. Bin total durch den Wind.«
»Oh.« Mehr fiel Sophia dazu nicht ein.
»Also. Ich geh jetzt in die Stabi. Meld mich, sobald ich was rausgefunden habe.«
»Das mit deiner Freundin tut mir leid«, sagte Sophia, aber da hatte er schon aufgelegt.
Gegen Mittag rief er wieder an. »Wir haben sie.«
»Wen? Annette Sonnabend?« Sophia hatte sich gerade Kaffee eingeschenkt, den sie prompt verschüttete.
»Genau. Ella hatte Recht. Annette war in den Achtzigerjahren eine richtig große Nummer in der Münchner Kunstszene. Sie war für ihre spektakulären Installationen und Performances bekannt. Sie hat im Schlachthof nackte Männer mit Tierblut bespritzt und am Flughafen Riem eine Flugzeugmotorensymphonie aufgeführt. Nur so als Beispiel.«
»Wow! Scheint aber in Vergessenheit geraten zu sein. Ich hab ihren Namen jedenfalls noch nie gehört.«
»Den hat sie ja auch gar nicht verwendet. Sie hatte einen Künstlernamen.«
»Und? Wie hat sie sich genannt?«
»Annette Rose.«
»Wie die Blume?«
»Das war ihr Mädchenname. Annette Rose hieß sie vor der Heirat mit Sonnabend.«
»Was ist aus ihr geworden? Hast du das auch rausgekriegt?«
»Als Künstlerin arbeitet sie, glaub ich, nicht mehr. Die letzte Ausstellung, über die das Abendblatt berichtet hat, hat Anfang der Neunziger stattgefunden. Ich hab ein Interview aus dieser Zeit gefunden, das war ganz interessant. Ich mail dir das mal, wenn du mir deine Adresse gibst.«
»Meinst du, sie lebt noch in München?«
»Das mein ich nicht nur, das weiß ich sogar.«
»Was? Wo hast du sie gefunden?«
»Ich hab in allen Langzeiteinrichtungen für psychisch Kranke angerufen und hab gefragt, ob bei ihnen eine Annette Sonnabend oder Rose wohnt. Und in einer Wohngruppe in Bogenhausen war ich erfolgreich. Der fünfzehnte Anruf. Puh.«
»Aber … wie kommst du denn darauf, dass sie psychisch betreut werden muss?«
»Lies den Artikel. Ich muss jetzt zu einem Kunden, aber ich melde mich später wieder.«
Sie rannte zu Moritz, um ihm von ihrem Gespräch mit Philipp zu erzählen, und riss die Tür zu seinem Zimmer auf. Und da saß Felix.
Mit ausgestreckten Beinen fläzte er sich in Moritz’ Schreibtischstuhl und grinste sie an. Und ihr Herz, das gerade eben noch wie verrückt geschlagen hatte, blieb einfach stehen. Sie schnappte nach Luft und wartete darauf, dass sie ohnmächtig wurde oder gleich tot umfiel. Zumindest würde sie Felix auf diese Weise ewig in Erinnerung bleiben.
»Is was?«, fragte Moritz, der wieder mal auf seinem Bett lag.
»Schön, dich zu sehen«, sagte Felix.
»Was willst du denn?«, erkundigte sich Moritz.
»Philipp hat angerufen.« Sie wollte noch etwas hinzufügen, aber ihre Stimme versagte.
»Felix weiß Bescheid«, sagte Moritz. »Wir haben gerade über die ganze Geschichte gesprochen.«
Sophias Herz begann jetzt wieder zu schlagen, am Anfang ganz zaghaft, dann trommelte es los, als ob es die verpassten Schläge so schnell wie möglich wieder aufholen wollte.
»Und? Was hältst du davon?«, fragte sie über das Herzgetrommel hinweg und hätte viel lieber etwas ganz anderes gefragt . Warum hast du dich so lange nicht bei mir gemeldet? Was hab ich falsch gemacht? Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich vermisst habe?
»Eine irre Sache«, fand Felix. »Ich weiß echt nicht, was ich dazu sagen soll. Da will euch jemand richtig ans Leder. Aber warum? Ich kapier einfach nicht warum.«
»Philipp hat Annette Sonnabend im Zeitungsarchiv gefunden. Oder vielmehr
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