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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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wird uns hier nicht finden«, meinte Philipp ruhig. »Ich zeig euch jetzt die Zimmer.«
    Vom Wohnzimmerfenster aus konnte man das Meer sehen, bleigrau und schwer wälzten sich die Wellen ans Land. In der Ferne stand ein Leuchtturm, der aussah, als ob er fröstelte. Bei Philipps erstem Urlaub an der Ostsee hatte praktisch ununterbrochen die Sonne geschienen. »Diesen Sommer kannst du echt in die Tonne treten«, meinte er. »Regen, nichts als Regen!«
    »Ich mag dieses Wetter«, behauptete Sophia. »So wild und gewaltig.«
    »Du hast ja wohl ein Rad ab«, meinte Moritz. »Ich find es voll deprimierend hier.«
    »Am liebsten würd ich einen Strandspaziergang machen.«
    Julie nieste. »Ich leg mich hin. Gute Nacht, Leute!«
    »Du gehst nicht spazieren. Das ist viel zu gefährlich«, sagte Philipp zu Sophia.
    »Wie spielst du dich denn jetzt auf?«, fragte Moritz. »Wenn Sophia raus will, kann sie raus. Du bist doch hier nicht der Bestimmer!«
    »Nee, lass mal! Ich geh bestimmt nicht allein an den Strand. Ich hab viel zu viel Schiss«, sagte Sophia. »Und danke, Moritz, aber ich kann für mich selbst sprechen.«
    Philipp räusperte sich. »Ich hab ein paar Lebensmittel aus München mitgebracht, aber so richtig viel hatte ich nicht zu Hause. Wir sollten einen Großeinkauf in Kühlungsborn machen.«
    »Du und ich?«, fragte Moritz.
    »Vielleicht ist es sicherer, wenn du hier bei Julie bleibst. Und Sophia mich begleitet.«
    Er erwartete Moritz’ Protest, aber der nickte nur. »Geht auf jeden Fall in der Apotheke vorbei und holt Paracetamol. Und was gegen Husten. Julie ist echt nicht gut drauf.«
    Sie kauften ein, als ob ein Atomkrieg vor der Tür stünde. Konserven, Dosensuppen, Obst, Toilettenpapier, Reis, Nudeln.
    »Mir kommt das alles so unwirklich vor«, sagte Sophia, als sie die Vorräte in Philipps Auto verstauten.
    »Was?«
    »Dieser V. Dass er Papa entführt hat. Und dass er uns jetzt kaltmachen will. Wegen irgendeiner Affäre, die in der Steinzeit stattgefunden hat.«
    »Wir wissen ja nicht, ob er uns wirklich umbringen will. Wir wissen gar nichts über ihn.«
    »Auf jeden Fall können wir uns nicht ewig vor ihm verstecken.«
    »Nein. Aber diesen verdammten 2. Juli können wir erst mal abwarten. Und dann sehen wir weiter. Vielleicht kriegen wir ja in der Zwischenzeit auch mehr über V raus.«
    »Hier in dieser Einöde? Wie denn? Wir können ja nicht mal ins Internet. Wartest du darauf, dass uns der Heilige Geist erleuchtet?«
    Philipp zuckte mit den Schultern.
    »Da drüben ist eine Apotheke. Ich spring da mal rein und besorg die Medikamente für Julie. Bleibst du so lange im Wagen?«
    »Klar.«
    Als er weg war, schaltete sie ihr Handy an. Obwohl sie eigentlich vereinbart hatten, dass sie ihre Mobiltelefone nur im äußersten Notfall benutzen wollten. Aber ihr Handy war nicht registriert, niemand würde sie darüber orten können. Und die neue Nummer hatte sie noch niemandem gegeben.
    Sie loggte sich in ihrem Internet-Account ein und rief ihre E-Mails ab. Atemlos überflog sie die Nachrichten in ihrem Eingangsordner. Konzerteinladungen, Schulmitteilungen, Spam, Spam, Spam. Und dann …
    »Oh mein Gott«, flüsterte Sophia. Eine Mail von Felix. Reden?, lautete der Betreff.
    Liebe Sophia,
    ich würde dich gerne sehen. Hast du in den nächsten Tagen mal Zeit für mich?
    Felix
    Darunter stand seine Handynummer. Das war alles. Zwei Sätze. Aber damit erreichte Felix, was V bisher nicht geschafft hatte. Er brachte Sophia fast zum Herzinfarkt.
    Ja, dachte Sophia. Ja, ja, ja. Und hätte am liebsten sofort geantwortet, aber das ging ja nicht. Zu niemandem ein Wort, hatten sie ausgemacht. Sie durfte ihm nicht schreiben. Sie durfte nicht reagieren. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Philipp wieder aus der Apotheke kam. Hastig kritzelte sie Felix’ Nummer auf die Rückseite einer Quittung und schaltete ihr Handy aus. Weil ihre Hände so zitterten, brauchte sie drei Anläufe, bis sie es zurück in ihre Handtasche gestopft hatte.
    »Was war das?«, fragte Philipp, als er einstieg. »Hast du telefoniert?«
    »Quatsch!«
    »Du hattest doch gerade ein Telefon in der Hand. Hab ich doch gesehen.«
    »Meinen MP 3-Player. Ich hab Musik gehört.« Zum Beweis zog sie den Player aus der Tasche.
    »Ach so. Sorry. Ich wollte nicht … meine Nerven liegen ziemlich blank.«
    »Schon gut.«
    Er ließ den Wagen an und fuhr aus der Parklücke. »Ich hab mir immer eine kleine Schwester gewünscht«, sagte er. »Weißt du das?«
    Sie lachte.

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