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Morgengrauen

Morgengrauen

Titel: Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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er gehörte zweifelsohne zum »unmittelbaren Umfeld« der Ermordeten.
    Drei Minuten später durchquerten sie das Riettor, eines der drei verbliebenen Stadttore aus der Zähringerzeit, und waren nun in der Fußgängerzone. Im Eiscafé ergatterten sie einen der wenigen freien Tische. Um sie herum löffelten und schleckten kleine Kinder viel zu große Eisbecher.
    Bernd machte sich offenbar keine Sorgen um irgendwelche Zuhörer – er zog, nachdem er ein Spaghettieis geordert hatte, ein Stück Papier hervor. »Ich glaube kaum, dass es sich bei Verena Böck um einen Raubmord gehandelt hat. Da fehlt mir die Logik, warum man ausgerechnet bei ihr besondere Wertgegenstände vermutet hätte. Aber hier, schau dir das mal an.«
    Es war ein handgeschriebener Brief auf blutrotem Papier. »Deine Worte waren für mich wie ein Licht in der Finsternis, wie eine Rose an einem trüben Wintertag«, las Klaus leise vor sich hin. Und so weiter. Er zuckte mit den Schultern. Dann schaute er auf den Umschlag: »SC – 04873«.
    »Der Brief war in einem der Fachbücher, die ich mir im Büro von Verena ausgeliehen habe. Auch solch trockene Materie kann durchaus delikate Geheimnisse bergen.«
    Klaus verstand nur Bahnhof. »Hä?«
    Bernd lockerte genüsslich einen Knopf an seiner Weste, denn natürlich war er auch heute wieder bestens gekleidet zur Pressekonferenz erschienen. »Dreh den Brief mal um«, riet er dann.
    Auf der Rückseite stand mit schwarzem Kugelschreiber geschrieben: »Das Licht wird bald verlöschen, die Rose zertrampelt werden.« Klaus war zwar kein Grafologe, vermutete aber, dass es sich hier um eine Frauenschrift handelte. Die wohlgesetzten Worte auf der Vorderseite schienen hingegen männlichen Ursprungs zu sein …
    »Ich bin mir sicher, mit diesem Brief lösen wir den Fall«, glaubte Bernd.
    »Moment mal«, sagte Klaus und nippte an seinem Eiskaffee. In seinem Kopf arbeitete es. »Wann hast du den Brief entdeckt?«, fragte er.
    »Gestern Abend – ich musste noch etwas für die FH vorbereiten und habe dazu das Buch benötigt«, meinte Bernd. Er schien bester Laune und lehnte sich entspannt in dem weißen Stuhl zurück.
    Riesle kam nicht ganz mit. »Der Liebesbrief war also an Verena gerichtet. Dann war sie diejenige, die diese komischen Anmerkungen auf der Rückseite gemacht hat? Entweder aus einer Vorahnung heraus oder nachdem sie den Typen getroffen hat. Muss ja eine ganz schöne Enttäuschung gewesen sein. Und später hat sie den Brief in eines ihrer Fachbücher gelegt.«
    Bernd nickte. »Vermutlich.«
    »Und was ist ›SC – 04873‹ – etwa die Autonummer des Briefschreibers?«
    Bernd beugte sich wieder nach vorne: »In Deutschland gibt’s solche Nummern nicht.«
    Riesle überlegte: »Eine Schweizer Nummer vielleicht. Schaffhausen?«
    Bernd schüttelte den Kopf: »Schaffhausen hat SH. Was könnte es noch sein?« Er schien genau Bescheid zu wissen – und genoss es.
    Riesle dachte angestrengt nach. Die Hitze hinderte ihn aber daran, obwohl einer der Sonnenschirme des Cafés sie vor dem Schlimmsten bewahrte. »Vielleicht eine Telefonnummer?«
    Bernd nickte. »Du meinst, S.C. könnten die Initialen desjenigen sein, von dem der Brief stammt? Aber eine Telefonnummer mit einer 0 am Anfang? Klar, das könnte die Vorwahl sein; aber dann bleibt kein Platz mehr für die eigentliche Nummer.«
    Klaus ließ seiner Phantasie weiter freien Lauf. »Oder SC steht für den SC Freiburg – und 04873 ist die Nummer der Dauerkarte …«
    Bernd wurde ein kleines bisschen ungeduldig, genoss aber das Spiel dennoch weiter: »Fällt dir noch was ein?«
    Riesle schaute die Fußgängerzone entlang, in der sommerlich gekleidete Menschen, darunter auch einige Touristen, es kaum erwarten konnten, in den Bereich der nächsten Schatten spendenden Häuserfront der verwinkelten historischen Innenstadt zu gelangen.
    Er dachte ja wirklich angestrengt nach, aber … Mit einem Auge beobachtete er die weiteren Besucher des Eiscafés. Junge, Ältere, ein Pärchen küsste sich. Moment, dieses Pärchen kannte er. Nein, er kannte die beiden Personen, aber als Pärchen …? Das war doch Martina, die Tochter seines Freundes Hubertus. Und der andere? Didi Bäuerle, der Hausmeister der Münsterpfarrei? Klaus schüttelte den Kopf, um zu sich zu kommen.
    Hatte er einen Sonnenstich?
    Dann grinste er, ließ den verdutzten Bernd mit einem »Bin gleich wieder da« zurück und lief die vier Tische weiter zu den Turtelnden, die ihn bislang nicht bemerkt hatten:

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