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Morgenlied - Roman

Morgenlied - Roman

Titel: Morgenlied - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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dem Riegel.
    Der Schlag riss ihr fast den Arm aus, und sie schrie
auf, als sie zurücktaumelte. Mit einem donnernden Geräusch quoll Blut aus dem Wasserhahn. Sie trat aufs Telefon zu, aber als sie nach dem Hörer greifen wollte, traf sie ein zweiter, noch heftigerer Schlag.
    Reine Einschüchterungstaktik, sagte sie sich und wandte sich aus der Küche. Die einsame Frau im Haus einsperren. Und jede Menge Lärm dabei machen, fügte sie hinzu, als die Wände und der Fußboden unter dröhnenden Schlägen zu beben begannen.
    Sie sah den Jungen durch das Esszimmerfenster. Er hatte das Gesicht dagegen gepresst und grinste.
    Ich kann nicht hinaus, aber er kann nicht herein, dachte sie. Das ist ja interessant. Aber noch während sie hinschaute, kroch er an der Scheibe herauf und wieder herunter, wie ein widerlicher Käfer.
    Blut verteilte sich auf der Scheibe, bis sie durch und durch rot und von Schmeißfliegen bedeckt war.
    Sie sperrten das Licht aus, und im Haus wurde es stockdunkel. Es war so, als ob sie blind wäre, dachte sie. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Aber genau das wollte er ja. Er wollte, dass sie diese uralte Angst wieder verspürte. Als sie sich mit der Hand an der Wand abstützte, floss es warm an ihrem Arm herunter, und sie wusste, die Wände bluteten.
    Sie würde einfach hinausgehen, sagte sie sich. Ins Licht. Langsam tastete sie sich voran. Da war das Treppengeländer. Sie war fast am Ziel. Etwas flog aus der Dunkelheit heran und warf sie um. Das Messer klapperte nutzlos über den Fußboden. Sie kroch auf allen vieren weiter. Als die Tür aufging, blendete das Licht sie fast.

    Sie lief Gage direkt in die Arme. Er hatte erwartet, dass sie ihm hysterisch um den Hals fallen, schreien und weinen würde. Stattdessen blickte sie ihn kühl an.
    »Siehst du ihn?«, fragte sie.
    »Ja. Deine Nachbarin fegt gerade den Bürgersteig. Sie sieht nichts. Sie winkt dir.«
    Cybil hielt sich mit einer Hand an Gages Arm fest und winkte mit der anderen der Frau zu. Der Junge hing wie eine Spinne am vorderen Fenster. »Mach ruhig weiter«, sagte Cybil gleichmütig. »Verschwend nur deine Energie.«
    Sie ließ Gage los und setzte sich auf die Vordertreppe.
    »Und?«, sagte sie zu Gage. »Machst du einen Ausflug?«
    Er blickte sie einen Moment lang an, dann schüttelte er den Kopf und setzte sich neben sie. Der Junge sprang vom Fenster auf den Rasen und rannte dort herum. Überall, wo er lief, floss Blut wie ein Fluss. »Eigentlich wollte ich zu Fox. Aber als ich dort war, bekam er so ein Summen im Kopf, wie ein Signal. Und da Layla meinte, du wärst die Einzige, die alleine ist, wollte ich nach dir schauen.«
    »Ich bin sehr froh, dass du hergekommen bist.« Der blutige Fluss begann zu brennen. »Ich war mir nicht sicher, ob das mit unserem Fledermaussignal geklappt hat.« Sie griff nach Gages Hand.
    Auf dem Rasen schrie der Dämon vor Wut. Er sprang hoch und tauchte in den Strom aus flammendem Blut.
    »Starker Abgang.«
    »Du hast wirklich Nerven aus Stahl«, murmelte Gage.

    »Ein professioneller Spieler sollte einen Bluff aber besser erkennen können.«
    Als sie am ganzen Leib zu zittern begann, legte Gage ihr die Hand unters Kinn und drehte ihren Kopf zu sich. »Man braucht Nerven aus Stahl, um überhaupt so bluffen zu können.«
    »Er nährt sich von Angst, aber ich wollte ihm auf keinen Fall Nahrung geben. Allerdings will ich im Moment auch nicht alleine ins Haus zurückgehen.«
    »Möchtest du lieber irgendwo anders hinfahren?«
    Sein Tonfall war beiläufig, fast sorglos, und sie entspannte sich nach und nach. »Am liebsten wäre ich jetzt irgendwo am Strand, mit einem Bellini in der Hand.«
    »Dann mal los.«
    Als sie lachte, küsste er sie einfach.
    Er wusste, es war dumm, aber es war auch äußerst befriedigend. Sie schmeckte, wie sie aussah - exotisch und geheimnisvoll. Sie heuchelte weder Überraschung noch Widerstand, sondern nahm seinen Kuss ganz selbstverständlich. Als er sich von ihr löste, lächelte sie ihn an.
    »Das war zwar kein Bellini am Strand, aber es war ganz nett.«
    »Ich kann es noch besser als ganz nett.«
    »Oh, das bezweifle ich nicht. Aber...« Sie tätschelte ihm die Schulter und stand auf. »Ich glaube, wir gehen jetzt besser hinein und schauen nach, ob drinnen alles in Ordnung ist.« Sie blickte zum vorderen Fenster, das in der Nachmittagssonne funkelte. »Vermutlich ist ja nichts passiert, aber wir sehen besser einmal nach.«

    »Gut.« Er erhob sich ebenfalls. »Du solltest Fox anrufen

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