Morgenlied - Roman
Schweiß vom Gesicht.
»Innerlich habe ich geschrien wie ein kleines Mädchen. Wo ist mein Hemd?«, fragte er, als er feststellte, dass er bis zur Taille nackt war.
»Wir mussten es dir vom Leib reißen, um an die Wunde zu kommen«, erwiderte Fox. »Du hast dich nicht gerührt. Du hast kaum geatmet. Gott, ich habe gedacht, du wärst tot.«
»Das war ich auch. Beinahe jedenfalls.« Vorsichtig drehte Gage den Kopf und betastete die Narbe auf seiner Schulter. »Jetzt schmerzt sie nicht mehr. Ich fühle mich zwar ziemlich schwach, aber es tut nicht mehr weh.«
»Du musst jetzt schlafen. Du weißt doch, wie es geht«, fügte Cal hinzu. »Dieser intensive Heilungsprozess macht einen völlig fertig.«
»Ja, vielleicht. Bringt mich nach oben, ja?«
Unterstützt von seinen Freunden stand Gage auf. Schon die wenigen Schritte zum Haus machten ihn so schwach wie ein neugeborenes Kätzchen. Aber er blickte zufrieden auf das Geländer der Veranda.
»Der Bastard hat diesen Stein einmal zur Hölle und zurück geschickt.«
»Ja. Schaffst du die Stufen?«
»Ja, ich denke schon.« Er biss die Zähne zusammen und lächelte, als Cal und Fox ihn ins Haus schleppten.
Da er viel zu erschöpft war, um die Frauen abzuwehren, trank er gehorsam den Tee, den Cybil ihm einflößte. Dann sank er aufs Bett.
»Willst du dich nicht neben mich legen, Süße?«
»Ja, gerne, Schätzchen.«
»Nicht du, Fox.« Gage zeigte auf Cybil. »Die mit den großen braunen Augen da. Oder vielleicht sollten sich auch alle Frauen hier im Zimmer zu mir legen. Platz genug ist ja.«
»Was habt ihr in den Tee getan?«, wollte Cal wissen.
»Eine geheime Zutat.« Cybil setzte sich auf die Bettkante. »Verschwindet. Ich bleibe bei ihm, bis er eingeschlafen ist.«
»Hallo, meine Schöne«, murmelte Gage.
Cybil beugte sich über ihn und betrachtete ihn lächelnd. »Hallo, mein Großer. Das war ein anstrengender Vormittag. Schlaf jetzt.«
»Ich habe dich wütend gemacht.«
»Ich dich auch. Das war ja der Plan.«
»Verdammt guter Plan.«
»Ein riskanter, potentiell blöder Plan.«
Er grinste. »Hat aber funktioniert.«
»Da hast du recht.«
»Die Scheiße über deinen Vater habe ich nicht so gemeint.«
»Das weiß ich doch. Schscht.« Sie beugte sich über ihn und küsste ihn auf die Wange.
»Aber das andere vielleicht doch- ich weiß nicht genau. Und du?«
»Wir reden später darüber.«
»Sie hat gesagt - Ann Hawkins hat gesagt -, du würdest um mich weinen. Das wäre wichtig. Du hast geweint, und es war wichtig. Du hast mich zurückgeholt, Cybil.«
»Das war der Kaltstart. Den Rest hast du ganz alleine geschafft, Gage.« Sie legte ihre Wange an seine. »Ich dachte, du würdest sterben. Solche Angst hatte ich noch nie. Ich dachte, du würdest sterben. Wir würden dich verlieren. Ich würde dich verlieren. Du würdest in meinen Armen sterben, und bis zu dem Moment war mir nicht klar, dass ich...«
Sie hob den Kopf und brach ab, als sie sah, dass er eingeschlafen war. »Gut.« Sie holte tief Luft. »Gut, das ist wahrscheinlich ein exzellentes Timing für uns beide. Dann brauche ich mich wenigstens nicht zu demütigen, indem ich dir sage, dass ich so dumm war, mich in dich zu verlieben.««
Sie ergriff seine Hand und blieb noch eine Weile bei ihm sitzen. Ob sie wohl einen Weg finden würde, um über ihn hinwegzukommen?
»Glaubst du, das ist nötig?«
Langsam hob Cybil den Kopf und blickte Ann Hawkins an.
»Na, endlich.« Es überraschte sie nicht, dass sie so ruhig war. Mittlerweile hatte sie schrecklichere Dinge gesehen als einen Geist, der an einem Junimorgen neben dem Bett stand.
»Glaubst du, das ist nötig?«, wiederholte Ann.
»Was?«
»Dass du dein Herz davor verschließt, was du für ihn empfindest. Dass du dir die Freude und die Schmerzen versagst.«
»Ich bin kein Freund von Schmerzen.«
»Aber das ist das Leben. Nur die Toten fühlen nichts.«
»Was ist mit dir?«
Ann verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Es ist kein Tod. Das hat mir mein Liebster gesagt. Es gibt mehr als die Dunkelheit und das Licht. Ich fühle noch, weil es nicht zu Ende ist. Und wenn es vorbei ist, endet eine Sache und eine andere beginnt. Du bist jung und hast noch viele Jahre in diesem Leben, in diesem Körper, in dieser Zeit vor dir. Warum willst du mit einem verschlossenen Herzen leben?«
»Du hast gut reden. Deine Liebe wurde erwidert. Ich weiß, was es bedeutet, jemanden zu lieben, der deine Liebe nicht erwidern kann.«
»Dein Vater war
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