Morgenlied - Roman
hielten sich bevorzugt an steinigen Hängen auf und waren nicht besonders aggressiv. Natürlich wurden sie normalerweise
auch nicht von einem Dämon in den Wahnsinn getrieben. Diese Schlangen hier würden bestimmt angreifen, daran hatte sie überhaupt keinen Zweifel.
Wie auf ein Stichwort hoben einige Schlangen den dreieckigen Kopf, als Gage mit einer Schaufel um die Ecke kam.
Eine Schaufel, dachte Cybil. Der Mann hatte ein Gewehr und wollte mit einer Schaufel auf die Schlangen losgehen? Sie wollte schon die Scheibe herunterkurbeln, um ihm zu sagen, was sie davon hielt, als er auch schon die Stufen hinaufstieg, mitten in das Schlangennest hinein.
Es war hässlich. Sie hatte immer geglaubt, hart im Nehmen zu sein, aber jetzt drehte sich ihr der Magen um. Sie konnte nicht zählen, wie oft sie auf ihn losgingen, und wusste, dass die Bisse schmerzten, trotz seiner Heilungsfähigkeiten.
Als es vorbei war, stieg sie aus. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß. »Das war es. Ich mache hier noch sauber und vergrabe sie.«
»Ich helfe dir.«
»Nein, ich mache es schon. Du siehst ein bisschen grün aus.«
Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Ich muss zugeben, dass ich mich auch ein bisschen grün fühle. Das war... Bei dir alles okay?«
»Sie haben mich ein paarmal erwischt, aber es ist keine große Sache.«
»Zum Glück waren wir vor Layla hier. Aber ich kann dir wirklich helfen. Ich hole mir auch eine Schaufel.«
»Cybil. Ich könnte jetzt wirklich einen Kaffee brauchen.«
Sie zögerte einen Moment, nahm aber dann sein Angebot an. »Na gut.«
In der Küche spritzte sie sich schnell ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht und trank einen Schluck, damit die Übelkeit verging. Als der Kaffee fertig war, brachte sie ihm eine Tasse an den Waldrand, wo er das Loch für die Schlangen grub.
»Das wird hier so eine Art Tierfriedhof«, sagte sie. »Erst der irre Roscoe und jetzt die Schlangen. Mach mal Pause. Ich kann weitergraben.«
Er reichte ihr die Schaufel und nahm den Kaffeebecher.
»Während der Sieben gibt es überall Schlangen. Die Leute finden sie in ihren Häusern, im Keller, in den Schränken. Selbst in den Autos, wenn sie so blöd sind, die Fenster nicht ganz zuzumachen. Ratten auch.«
»Reizend. Ja, ich habe es gelesen.« Schweißtropfen standen ihr auf der Stirn. »Ist das tief genug?«
»Ja, das reicht. Geh wieder ins Haus.«
Sie blickte auf die beiden Mülleimer, die neben der Grube standen. »Ich werde wohl Schlimmeres sehen als das, und so ein zartes Pflänzchen bin ich ja nicht.«
»Wie du willst.«
Aber es würgte sie doch, als er den Inhalt in die Grube schüttete, und im Stillen hoffte sie, dass sie nichts Schlimmeres sehen würde. »Ich wasche sie aus.« Sie ergriff die leeren Tonnen. »Und anschließend mache ich die Veranda sauber.«
»Cybil«, sagte er, als sie sich zum Gehen wandte, »als zartes Pflänzchen habe ich dich nie gesehen.«
Eher stark, dachte er. Eine Frau, auf die ein Mann sich verlassen konnte.
Als er fertig war, ging er zum Haus zurück und blieb stehen, als er sah, wie sie auf allen vieren die Veranda mit einer Bürste bearbeitete. »Aber so habe ich dich auch noch nie gesehen«, sagte er.
»Wie?« Sie blickte auf und blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn.
»Als Frau, die Böden schrubbt.«
»Oh, ich bezahle zwar lieber jemanden dafür, aber ich habe es durchaus auch schon selber gemacht. Allerdings ist es diesmal keine angenehme, hausfrauliche Tätigkeit. Schlangengedärme habe ich noch nie weggeputzt.«
Sie stand auf und wollte den Eimer nehmen, aber er hinderte sie daran. »Ich wollte ihn nur ausschütten und dann alles noch mal mit dem Schlauch abspritzen.«
»Das übernehme ich.«
Lächelnd legte sie den Kopf schräg. »Ist das eine nicht ganz unangenehme männliche Tätigkeit?«
»Das könnte man so sagen.«
»Dann machen wir es so. Und anschließend holen wir die Sachen aus dem Truck.«
Sie arbeiteten schnell und Hand in Hand. Das war auch so etwas, dachte er. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so gut mit einer Frau zusammengearbeitet zu haben.
»Was wirst du machen, wenn das hier vorbei ist?«, fragte er.
»Was ich machen werde?« Nachdenklich schenkte sie ihm eine weitere Tasse Kaffee ein. »Mindestens zwölf Stunden in einem wundervollen Bett mit teurer Bettwäsche schlafen und dann mit einem ganzen Krug voller Mimosas im Bett frühstücken.«
»Das hört sich gut an, aber ich meinte eher, was du für Pläne für die Zukunft
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