Morgenlied - Roman
wollte dich nur fragen - ich wollte dich nicht belästigen, ich wollte dich nur fragen...«
»Was?«
»Jim Hawkins hat mir erzählt, dass einige Leute aus der Stadt eine Zeitlang auf die O’Dell-Farm ziehen, und ich dachte, ich könnte vielleicht helfen. Leute, Vorräte und so dorthin bringen, Besorgungen machen.«
In Gages Erinnerung hatte sein Vater jede Sieben besoffen in der Wohnung verbracht. »Da musst du Brian und Joanne fragen.«
»Ja. Okay.«
»Warum willst du das tun?«, fragte Gage, als sein Vater sich zum Gehen wandte. »Warum verlässt du nicht einfach die Stadt?«
»Es ist auch meine Stadt. Ich habe noch nie bei irgendetwas geholfen, und ich habe dem, was ihr getan habt, nie viel Beachtung geschenkt. Aber ich wusste natürlich Bescheid. So betrunken konnte niemand sein, dass er nicht Bescheid wusste.«
»Sie können auf der Farm bestimmt Hilfe gebrauchen.«
»Okay. Gage.« Bill rieb sich mit den Händen übers Gesicht. »Ich sollte es dir erzählen. Ich habe Träume gehabt. Seit ein paar Nächten schon. Es ist so, als würde ich aufwachen, aber ich schlafe. Dann höre ich deine Ma in der Küche, und sie ist ganz real. Sie steht am Herd und kocht Abendessen. Schweinekoteletts, Kartoffelpüree und diese kleinen Erbsen, die ich immer so gerne gegessen habe. Und sie...«
»Red weiter.«
»Sie redet mit mir, lächelt und sagt: >Hey, Bill, das Essen ist gleich fertig<, und ich lege die Arme um sie und küsse sie auf den Nacken, bis sie sich lachend herauswindet. Ich kann sie im Traum riechen, und ich...«
Er zog sein Taschentuch aus der Tasche und wischte sich über die Augen. »Sie sagt zu mir, wie sie das immer getan hat, ich soll sie in Ruhe lassen, sonst brennt mein Essen an. Und dann sagt sie: >Trink doch was, Bill. Willst du dir nicht vor dem Essen einen genehmigen?< Auf der Theke steht eine Flasche, sie gießt Whiskey in ein Glas und reicht es mir. Das hat sie in ihrem ganzen Leben nie getan. Sie hat mich auch nie so angesehen wie in diesem Traum. Ihre Augen sind ganz hart und gemein. Ich muss mich mal einen Moment setzen.«
Bill ließ sich auf die Stufen nieder und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich wache schweißgebadet auf, und ich kann den Whiskey, den sie mir hingehalten hat, noch riechen. Ich rieche nicht mehr Cathy, sondern nur noch den Whiskey. Als ich gestern Nacht aufgewacht
bin, bin ich in die Küche gegangen, weil ich so einen trockenen Hals hatte. Auf der Küchentheke stand eine Flasche. Ich schwöre es. Ich habe sie nicht gekauft. Sie stand einfach da.« Seine Hände zitterten jetzt, und der Schweiß perlte in dicken Tropfen auf seiner Stirn. »Ich wollte sie nehmen, um den Inhalt ins Spülbecken zu gießen, aber auf einmal war sie nicht mehr da. Ich glaube, ich werde verrückt.«
»Nein, du wirst nicht verrückt.« Eine neue Foltermethode, dachte Gage. Der Bastard ließ sich was einfallen. »Hattest du schon früher solche Träume?«
»Vielleicht, ein paar, über die Jahre. Es ist schwer zu sagen, weil ich damals die Flaschen noch nicht ins Spülbecken ausgeleert habe.« Bill seufzte. »Aber immer so um die Zeit herum, die ihr Jungs die Sieben nennt.«
»Er verarscht uns. Er spielt mit dir. Geh auf die Farm und hilf da mit.«
»Ja, das mache ich.« Bill stand auf. »Dieser Dämon oder was immer er ist, hat nicht das Recht, deine Ma zu benutzen.«
»Nein.«
Als Bill sich zum Gehen wandte, rief Gage: »Warte. Ich kann nicht vergessen, und ich weiß nicht, ob ich dir jemals verzeihen kann, aber ich weiß, dass du sie geliebt hast. Ich weiß, dass das die Wahrheit ist, deshalb tut es mir leid, dass du sie verloren hast.«
Bill blickte ihn dankbar an.
»Du hast sie auch verloren. Ich wollte es nie wahrhaben. Du hast sie auch verloren und mich mit ihr. Das werde ich den Rest meines Lebens mit mir herumtragen.«
Gage ging direkt zum Haus der Frauen. Die Tür war offen, und er lief die Treppe hinauf. Als er im ersten Stock angekommen war, ging Quinns Schlafzimmertür auf, und sie trat heraus, nur mit einem Handtuch bekleidet.
»Oh. Hi, Gage.«
»Wo ist Cybil?«
»Wahrscheinlich duscht sie, oder sie zieht sich gerade an. Ich wollte gerade... ach, egal.«
Er musterte sie. Ihre Wangen schienen ein wenig gerötet zu sein, und ihre Augen glänzten unnatürlich. »Stimmt irgendwas nicht?«
»Warum? Nein, es ist alles in Ordnung. Ich, äh, ich ziehe mich besser mal an.«
»Du kannst auch gleich packen.«
»Was?«
»Deine Sachen packen«, sagte er. »Wir
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