Morgenrot
fortbewegt.
Lea starrte die Tür an, vor der Adalbert mit ihr stehen geblieben war: glattes, grau lackiertes Metall, eingelassen in eine niedrige Betonwand. Offensichtlich waren nicht alle Kerker für die interessanten Objekte des Kollektors in einem natürlichen Zustand belassen worden, so wie der, in dem man Adam und sie eingesperrt hatte. Adalbert hatte sie durch ein Labyrinth aus Gängen geführt, das immer wieder mal eine dieser Metalltüren aufwies. Unwillkürlich musste Lea an einen Sammelkasten für Schmetterlinge denken: Ein entsprechend großes Kästchen pro Exemplar.
Die grau getünchten Wände des Tunnels waren übersät mit Stockflecken, an einigen Stellen hatten sich feine Risse aufgetan, aus denen Wasser rann, das abgestanden riechende Pfützen auf dem Boden bildete. Als ahme das Reich des Kollektors seinen eigenen körperlichen Verfall nach. In absehbarer Zeit würde hier unten alles in sich zusammenbrechen und dieses obskure Kabinett voller Dämonen unter sich begraben.
Adalbert hatte ihr erneut den Seidensack über den Kopf gezogen, bevor sie das verwirrende Gangsystem betreten hatten. Auf ihrem Weg durch die langen Flure waren die drängenden Rufe der Sammelstücke immer leiser geworden. Als sie in einen Gang eingebogen waren, der in einer Sackgasse endete, waren sie gänzlich verstummt. Am Ende der Sackgasse war ebenjene Tür eingelassen, vor der Adalbert und sie nun wortlos standen. Das metallene Monstrum wies weder Schloss noch Klinke auf. Neben dem luftdicht abschließenden Rahmen war ein Codefeld eingelassen, das Adalbert nun mit seinem Körper abschirmte.
Alter Angeber, hätte Lea ihn am liebsten angezischt. Aber sie war zu erschöpft, um ihm den verdienten Seitenhieb zu verpassen. Ohnehin schien dem vernarbten Mann nach keiner Plauderei zumute zu sein. Nicht einmal ein Kommentar dazu, was für eine perfekte Zielscheibe Adam in seiner Fixiertheit auf Lea abgegeben hatte, war von seinen Lippen gewichen. Das änderte jedoch nichts daran, dass ihn eine verstörende Aura der Vorfreude umgab. Was immer er im Schilde führte, sie würde es sogleich erfahren.
Die Tür ließ ein Seufzen vernehmen, dann schwang sie automatisch auf wie eine gut geölte Safetür. Ehe Adalbert ihr einen Stoß verpassen konnte, ging Lea auf den Spalt zu und fand sich in einer Art Schleuse wieder, an deren Ende sich dieselbe Art Metalltür befand. Hinter ihr schloss sich der Spalt wieder, und eine karge Notbeleuchtung sprang an. Einige Minuten später schwang die zweite Tür auf, und ohne zu zögern trat Lea ein.
Vor ihr lag ein niedriger quadratischer Raum, dessen graue Betonwände gelegentlich von einem Stück Fels durchdrungen wurden, wodurch er ggq ,ggg g, den Anstrich eines unterirdischen Verlieses erhielt.
Offensichtlich eroberte sich der Berg auch über diese Höhlen die Hoheit zurück: An einigen Stellen fiel der Putz ab und gab den Blick auf zerbröckelndes Mauerwerk frei,Wasser quoll aus den Spalten hervor und höhlte die Bausubstanz aus. Noch während sie die Wände betrachtete, war ein Knacken zu hören, und ein haarfeiner Riss grub sich in den Putz. Von Sporendurchsetzte, schwere Luft, die von einemLuftschacht in der Decke unzureichend bewegt wurde, drang in ihre Nase und verursachte ihr Übelkeit.
In einer Ecke des Raumes war eine miniaturartige Kamera an der Decke angebracht, deren Auge Lea sofort auf sich ruhen spürte. Einige Kunstdrucke, die mit Klebeband angebracht waren, sowie Holzregale verzierten die nackten Wände. Die Regale waren überwiegend mit in Leder gebundenen Büchern bestückt, die sich auf den zweiten Blick allerdings als billige Sammlereditionen entpuppten. Zudem gab es viele Titel doppelt, wie sie anhand der identischen Buchrücken höchst irritiert feststellte. Auf der einen Seite des Raums stand ein Feldbett, doch genau wie die Bücher wirkte es mehr wie eine Attrappe denn wie ein realer Alltagsgegenstand.
Lea trat einen Schritt weiter in den Raum hinein und überlegte, ob der Kollektor vielleicht beschlossen hatte, sie in Einzelhaft zu stecken, bis Adam wieder zur Vernunft gekommen war. Sie konnte sich gut vorstellen, dass diese Zelle aus seiner Sicht ihre menschlichen Bedürfnisse abdecken würde. Ein Bett und etwas zum Lesen, weitab von den anderen Sammlerobjekten.
Mit einem Seufzer schloss sich die Tür hinter ihr und gab den Blick auf einen schäbigen Kaminsims aus Sperrholz frei, in dem anstelle eines Feuers eine nackte Glühlampe brannte. Davor standen ein Tischchen,
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