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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Scherben auf. Als eine Spitze sich ins Fleisch eines Fingers bohrte und einige Tropfen Blut aus der Wunde hervordrangen, hatte Lea bereits die Metalltür erreicht und versuchte verzweifelt,ihre Finger in den Raum zwischen Rahmen und Tür zu graben. Über die Schulter schaute sie zur Kamera und formte mit den Lippen die Worte: »Mach die Tür auf, Adalbert.« In ihrem Nacken konnte sie deutlich spüren, wie der Dämon sich den Weg zurück an die Oberfläche erkämpfte und den Raum mit elektrisierender Luft erfüllte.
    Endlich schnappte die Tür langsam auf, und sie fand sich atemlos in der Schleuse wieder. Hektisch fuhr sie sich mit den Händen über den Körper, aber da war nichts. Auch wenn es sich so angefühlt hatte, niemand hatte kleine Widerhaken ausgeworfen, die sich in ihrer Haut verfangen hatten und nun versuchten, sie in den Raum hinter der Tür zurückzuziehen. Trotzdem war das Gefühl, berührt worden zu sein, immer noch da, als Adalbert sie gemeinsam mit Randolf vor der zweiten Tür in Empfang nahm.
     

27. Ein kleiner Tod
    Unter anderen Umständen wäre Lea durchaus versucht gewesen, Adalberts von rot schillernden Narben übersätes Gesicht noch die eine oder andere Verschönerung angedeihen zu lassen für das, was er ihr soeben angetan hatte. Stattdessen schritt sie benommen neben ihm her. Nicht ein böses Wort fand den Weg über ihre Lippen.
    Es hatte sie zutiefst schockiert, mit anzusehen, wie leicht der Dämon Oberhand über den Professor gewinnen konnte. Wenn selbst der Menschenfreund Carriere hier die Beherrschung verlor, was würde dann erst mit dem leidenschaftlichen Adam passieren?
    Zum ersten Mal gewannen Adams Worte für Lea an Bedeutung: In dieser Höhle war sie nicht länger die Gefährtin, die er sich selbst erwählt hatte, sondern eine scheue Beute, die es zu stellen galt. Ganz gleich, wie wahnsinnig der Kollektor sein mochte - wenn es darum ging, den Dämon hervorzulocken, blitzte sein Genie auf. Wahrscheinlich war dies die besondere Gabe, die ihm der Dämon zuteilwerden ließ, auch wenn er ihn nicht vollends beherrschen konnte.
    Unter gesenkten Augenlidern warf Lea Adalbert einen kurzen Blick zu. Vielleicht hatte dieser von Rachsucht getriebene Mann ihr sogar einen Gefallen getan, als er sie zu Etienne Carriere in die Zelle sperrte: So hatte sie Gelegenheit gehabt, ihrem Schicksal ins Auge zu blicken. Von allen Gefahren, die im einsturzgefährdeten Höhlenlabyrinth lauerten, war Adam mit Abstand die schlimmste.
    In Gedanken versunken, schritt Lea durch die Gänge, während das Brüllen und Locken aus den Zellen erneut aufbrandete. Als Lea aus der Schleuse trat, sah sie derartig erschüttert aus, dass Randolf sich trotzAdalberts abfälligem Schnaufen dazu bemüßigt fühlte, ihr kurz die Hand auf die Schulter zu legen und zu sagen: »Ist ja nichts passiert.«
    »Nein«, erwiderte Adalbert an Leas Stelle. »Das große Finale steht schließlich auch unserem Freund Adam zu. Wenn Lea erst einmal verwandelt ist, sperren wir die drei Verdorbenen in eine gemeinsame Kammer, in der sie sich dann gegenseitig in den Wahnsinn treiben können.«
    Aber seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, bereitete der Gedanken Adalbert nur wenig Freude. Wahrscheinlich würde er in dem Moment, wenn Lea getötet oder verwandelt war und Adam seinem alten verwirrten Freund gegenüberstand, in eine Depression
    verfallen.Was konnte man dann noch an Schmerz herauskitzeln, welche Erniedrigungen anzetteln? Sein Leben würde eindeutig an Wert verlieren.
    Plötzlich blieb Adalbert stehen und mit ihm auch Randolf, als habe er den lautlosen Befehl erhalten, alle Bewegungen augenblicklich einzustellen. Nur Lea lief noch einen Schritt weiter, bevor Randolfs Hand, die noch immer auf ihrer Schulter lag, sie so unvermittelt zum Stehen brachte, dass sie beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Sie kam sich vor wie ein Hund, der im vollen Lauf feststellt, dass das Ende der Leine erreicht ist.
    Gereizt warf sie einen Blick in die Runde. Adalbert wand sich und rieb unablässig seine Wurstfinger aneinander, bis sie glaubte, es quietschen zu hören. Dann nahm er militärisch zackig Haltung an und blies die Wangen auf.
    »Der Besuch hat dem alten Burschen gutgetan, oder was denken Sie? In der letzten Zeit ist er ein wenig eingerostet ... Ich würde mal behaupten, dass Ihre Anwesenheit sein Blut richtig in Wallung gebracht hat. Ab und an braucht er das einfach. Einen Anreiz, um an alten Zielen festzuhalten und die Schönheit des

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