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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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allerdings nur abwartend an, bis er die Stirn krauszog und sich seines eigentlichen Anliegens entsann.
    »Kleiner Scherz. Ich muss allerdings gestehen, dass mir der Umgang mit Ihnen etwas schwerfällt, Lea. Adam erzählte mir, dass er Sie über uns aufgeklärt habe. Deshalb ist es mir schlicht unbegreiflich, warum Sie sich dann noch in diesem Zustand befinden, der ja alles maßlos verkompliziert. Sehen Sie, ich bin ein großer Menschenfreund ... nun, wie soll ich sagen? Hat Adam Sie eigentlich über die zwei Seelen in unserer Brust aufgeklärt?« Professor Carriere schaute Lea fragend an, und sie nickte zögerlich, nicht ganz sicher, worauf ihr Gegenüber hinauswollte. »Nun, vielleicht so herum: Das Interesse von unsereins am Menschen ist an sich gering. Leider ist nichts auf der Welt perfekt, denn der Dämon ist zwar ausgesprochen besitzergreifend, aber es gelingt ihm nicht immer, sein ganzes Reich in Besitz zu nehmen. Deshalb bleiben oft Spuren des alten Bewohners zurück, wenn Sie verstehen. Es kostet Kraft und Mühe und, nun ja, vor allem viel Zeit. Aber man kann den menschlichen Anteil wie ein guter Archäologe freilegen. Dazu muss man nur unterdrücken, was dem Dämon wichtig ist.«
    Der Professor legte eine Pause ein und schien in sich hineinzuhören. Lea war ausgesprochen dankbar für die plötzliche Stille. Sie musste höchste Konzentration aufbieten, damit ihr in ihrem geschwächten Zustand nichts entging. Gleichzeitig brachte es sie zum Staunen, wie unterschiedlich diese beiden Männer trotz ihrer Vertrautheit waren: Während man Adam auch unter Androhung raffinierter Foltermethoden kaum zum Reden bewegen konnte, sprudelten die Worte aus Professor Carriere hervor wie aus einer unter Druck stehenden Champagnerflasche.
    Seine Hände zuckten kurz und verrieten, dass er seinen Gedanken wieder aufzunehmen gedachte: »Die Lust am Trinken ist für uns beinahe von existenzieller Bedeutung und kaum zu beherrschen. Vergleichbar mit der menschlichen Sexualität: Man kann sie unterdrücken, sich ein Zölibat auferlegen, versuchen, sie zu kanalisieren, aber früher oder später wird sie sich einen Weg bahnen. Da glaubt man, alles unter Kontrolle zu haben, und schon findet man sich außer Atem und besudelt neben einem fremden Körper wieder und hofft inständig, dass die Erinnerung niemals den Bereich des Nebelhaften verlassen wird. Gierige Dämonen und Menschen darf man niemals unterschätzen, meine Liebe.«
    Seine Wangen hatten sich leicht rötlich verfärbt, aber Lea war sich nicht sicher, ob ihm der Gegenstand seiner Worte peinlich war oder ihn vielleicht doch eher erregte. In Anbetracht des Flackerns in seinen Augen glaubte sie eher Letzteres. Unauffällig verkroch sie sich tiefer unter die Bettdecke.
    »Unsereins kann dennoch das Menschliche in sich fördern«, sprach der Professor weiter, der zu sehr in Gedanken versunken war, als dass er von Leas Beklemmung etwas mitbekommen hätte. »Allerdings hält meine Art das für falsch, sieht darin lediglich den krankhaften Wunsch nach Selbstzerstörung. Der Dämon ist stark und schön, er beschenkt uns großzügig. An den Resten des Menschlichen festzuhalten, das im Vergleich zum Dämonischen kraftlos und fade ist, stellt geradezu eine Beleidigung da. Für die meisten von uns ist es eine Ehre, den Dämon in sich bergen zu dürfen. Wer ihn unterdrückt, ist deshalb zwangsläufig ein Narr, wenn nicht sogar ein Feind.«
    Das traurige Lächeln und die Art, wie Professor Carriere mit den Schultern zuckte, verrieten Lea mehr über die Wünsche dieses Mannes alsseine vielen Worte. Er konnte ihre Überlegung offensichtlich von ihrem Gesicht ablesen, denn leise sprechend fuhr er fort: »Aber wer kann schon wider seiner Leidenschaft, nicht wahr, Lea? Der Mensch ist mein Steckenpferd: Ich kultiviere ihn, wo ich nur kann. Darin liegt auch die seltsame Freundschaft zwischen mir und Adam begründet. Wir sehnen uns beide nach dem, was der Dämon uns genommen hat. Trotzdem kann ich Adams Entscheidung, sich dem Wunsch des Dämons zu widersetzen, nicht nachvollziehen. Schließlich fordert der Dämon keine schlichte Verwandlung. Nein, er hat ihm eine Gefährtin ausgesucht!«
    Seine Stimme hatte an Eindringlichkeit gewonnen, und er bedachte Lea mit einem derart konzentrierten Blick, dass sie verlegen das Muster der Bettdecke zu studieren begann. Sosehr sie auch spürte, dass ihr dieses Gespräch unendlich viel mehr über den Dämon offenbarte, als sie aus dem schweigsamen Adam je

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