Morgenrot
dennoch ließ es Lea aufatmen. Dabei war sie sich gar nicht bewusst gewesen, dass sie den Atem angehalten hatte.
Der Bann war gebrochen, die Entscheidung vertagt.
Mit einem Schlag fühlte sie sich lebendig und kraftvoll, als hätte sie die letzten Tage nicht schwerkrank im Bett, sondern gipfelstürmend verbracht. Adam stand nur eine Armeslänge von ihr entfernt, sprechend und zugänglich. Sie würde ihn ein wenig reizen, ihn zum Spielen auffordern. Wer konnte schon sagen, wie lange die Welt so perfekt sein würde?
»Ist es wirklich nur das Wissen um die vom Dämon erwählte Gefährtin, das dich zu mir hinzieht?«, fragte Lea lockend, wobei sie einen schmollenden Unterton nicht unterdrücken konnte. Diese Frage quälte sie schon seit der Nacht am Kanal. Es kostete sie viel Mut, sie zu stellen. Das Risiko, dass es nur der Wille des Dämons war, der Adam an sie band, war herzzerreißend groß. Und so hielt sie seinem belustigten Gesichtsausdruck ein zorniges Augenfunkeln entgegen. Beschwichtigend hob Adam die Hände, deren bloßer Anblick schlagartig alle Angriffslust in ihr auslöschte. Wahrscheinlich würde sie seine kräftigen Finger nie betrachten können, ohne sich sofort vorzustellen, wie sie über ihre Haut strichen. Als er zu einer Antwort ansetzte, konnte sie seinen Worten kaum folgen, dermaßen gefangen war sie von der plötzlichen Erregung, die ihre Haut zum Glühen brachte.
»Davon abgesehen, dass man beim Erkennen wohl kaum von nur sprechen kann, gibt es da auch andere Aspekte, die ich an dir sehr anziehend finde.«
Dieses umständlich verpackte Geständnis war mehr, als Lea erwartet hatte, weshalb sie ein glückliches Strahlen nicht unterdrücken konnte. Adam quittierte ihre Begeisterung mit einem Stirnrunzeln. »Sei nicht so geheimniskrämerisch«, hakte sie herausfordernd nach. »Von welchen Aspekten redest du? Von meinem bestechenden Intellekt oder von meinem Aussehen vielleicht?«
»Ich achte nicht sonderlich darauf, wie Menschen aussehen.«
»Sondern ...?«, bohrte Lea nach, als Adams Mimik verriet, dass er das Thema fallenlassen wollte. Dabei war sie sich nicht sicher, ob sie die Antwort überhaupt hören wollte. Hoffentlich nahm das Spiel keine schlimme Wendung. Der vage Verdacht, dass ihr etwas Unangenehmes bevorstand, breitete sich in ihrer Magengegend aus und ließ sie auffällig laut schlucken.
Adam warf ihr einen wissenden Blick zu. Trotzdem machte er zunehmend den Eindruck, als bereite auch ihm die Unterhaltung Vergnügen. Er trat ganz dicht ans Bett und beugte den Kopf erneut zu ihr herab. Mit seiner anziehend klingenden Stimme, deren Timbre eine Gänsehaut erzeugte, erklärte er ruhig: »Ich gehe mehr nach dem Geruch. Das liegt vielleicht an meinem ausgeprägten Jagdinstinkt.«
»Du meinst, du kannst meine Fährte aufnehmen?«, fragte Lea, die sich kaum noch bei Sinnen wähnte, weil Adam ihr so nah war. Zwischen unseren Körpern muss sich wohl eine Art elektrische Spannung bilden, irgendein besonders ausgefallenes Naturphänomen, dachte sie, während ihr die Hitze verräterisch den Hals entlangkroch.
Adam nickte langsam, dann deutete sich ein mysteriöses Lächeln auf seinen Zügen an. Ganz offensichtlich amüsierte er sich. Etwas bereitete ihm eine diebische Freude, wie Lea irritiert feststellte.
Unsicher lächelte sie zurück.
Einen Augenblick lang hielt er inne, als wolle er die Vorfreude bis zur Neige auskosten. »Es geht nicht nur darum, jemanden verfolgen zu können«, sagte er eindringlich. »Es ist mehr ... Der Geruch eines Menschen spiegelt sein gesamtes Gefühlsleben wider. Es ist also vielsinnlicher und aufregender, dem Duft eines Menschen zu verfallen als seinem Äußeren. Ich kann an deinem Duft erkennen, ob du durcheinander bist, ob dich etwas in Sorge versetzt oder ob du dich ganz besonders freust, in meiner Nähe zu sein.«
Den letzten Satz ließ er mit einem vielsagenden Lächeln ausklingen. Lea war jedoch zu sehr von der Aufgabe in Anspruch genommen, den Abstand zwischen ihren beiden Körpern weiter zu verringern, um den Sinn der Worte vollends zu begreifen. »Ob ich mich freue ...«, wiederholte sie deshalb mechanisch, während sich die Erkenntnis allmählich ihren Weg bahnte. »Oh!«
Schlagartig rutschte sie in die Kissen zurück, um ihren verräterischen Körper auf Sicherheitsabstand zu bringen. Dabei fielen ihr ein Dutzend Situationen gleichzeitig ein, in denen ihre erhitzte Haut sämtliche Wünsche und Fantasien in Adams Nähe offenbart hatte.
Hastig
Weitere Kostenlose Bücher