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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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wobei sie einen Anflug von Zorn nur schwerlich unterdrücken konnte. »Es kann schließlich nur von Vorteil sein, wenn ich alles über den Dämon weiß, da ich meinem Schicksal ja doch nicht entkommen werde. Sie müssen wissen, Professor Carriere, dass ich unter einer lebhaften Fantasie leide. Das Wissen würde mir die Wartezeit erleichtern, die, wie es aussieht, lang werden wird. Zumindest aus menschlicher Sicht. In Ihrer Zeitrechnung bedeuten einige Jahre vermutlich nicht sonderlich viel.«
    »Vielleicht sollten Sie Ihre Fragen lieber mit Adam diskutieren«, warf der Professor ausweichend ein und begann umständlich, den durcheinandergeratenen Papierstapel zu sortieren.
    »Das würde ich ja gern. Aber leider weigert der sich, das Thema mit mir zu besprechen. Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen sein sollte: Adam weigert sich grundsätzlich, mit mir zu sprechen. Es ist schon elend schwer, ihm ein zustimmendes Murmeln abzuringen, wenn ich über den andauernden Schneefall klage. Also, wie ist es nun um abgeschlagene Hände, Blutrausch und das ewige Leben bestellt?«
    Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte sie sich mehr und mehr auf dem Sofa aufgerichtet. Gemeinsam mit Professor Carriere blickte sie zum Klavier hinüber, aber Adams Finger glitten weiterhin unbeeindruckt über die Tastatur.
    Professor Carriere räusperte sich, nachdem er den säuberlich zurechtgezupften Papierhaufen auf einem zierlichen Beistelltisch abelegt hatte. »Nun gut, Lea. Wenn Adam sich dieser Aufgabe nicht gewachsen fühlt, werde ich sie selbstverständlich übernehmen. Ich kann Ihren Wissensdurst gut nachvollziehen. Wo wollen wir beginnen? Vielleicht beim zentralen Thema derVerwandlung? Das kommt ja schon bald auf Sie zu.Vorweg sollte ich vielleicht erwähnen, dass unsereins in der Lage ist, den Dämon in jeden beliebigen Menschen eindringen zu lassen. Der Unterschied besteht darin, dass die meisten Körper den Dämon nicht in sich beherbergen können. Sie zerfallen wie ein Haus, das von einem Tornado ergriffen wird. Einen Menschen auf diese Weise zu vernichten ist ein beliebtes Hinrichtungsritual. Lea schüttelte mit entsetztem Gesichtsausdruck den Kopf, besann sich aber augenblicklich eines Besseren, da sie den Redefluss des Professors keineswegs hemmen wollte. Der hagere Mann blickte sie wissend an. Wahrscheinlich wäre aus Professor Carriere niemals solch ein anerkannter Wissenschaftler geworden, wenn er sich vor der Erkenntnis gefürchtet hätte.
    »Wenn der Dämon gewillt ist, ein neues Haus oder vielmehr einen Tempel zu beziehen, wird der Pakt mit einem Kuss besiegelt. Ein einzigartiger Akt der Verschmelzung ... Fragen Sie mich bitte nicht, warum er vonnöten ist. Aus irgendeinem Grund liebt der Dämon dieses Verführungsspiel, erst danach okkupiert er seinen neuen Besitz. Er zeigt sich gern in seiner ganzen Pracht. Und welcher Augenblick könnte dafür schon geeigneter sein? Wenn Adam Sie also geküsst hat, meine liebe Lea, bis Sie Wachs in seinen Händen geworden sind, wird ein weiterer Kuss folgen - ein Kuss des Blutes: Adam wird Sie dicht an seine Halsschlagader oder ans Handgelenk heranführen, während der Dämon Sie wie ein Liebhaber umarmt. In dem Augenblick, in dem Sie Adams Blut als das Geschenk eines neuen Lebens annehmen, werden Sie endlich eine der unsrigen sein, Lea. So, wie es das Schicksal für Sie vorgesehen hat.«
    Während der Professor seine Rede mit klarer, gleichgültiger Stimme vortrug, hatte Adam die Melodie langsam ausklingen lassen und schlug nun scheinbar gelangweilt einzelne Tasten an. Allerdings verriet ihn seine Körperhaltung: Die Schultern waren ein Stück hochgezogen, sein linker Oberschenkel zuckte im Takt.
    »Ich hätte dir eine geschicktere Provokation zugetraut, Etienne«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
    »Warum sollte ich mich anstrengen? Schließlich habe ich recht«, entgegnete Professor Carriere gelassen. »Es ist armselig, wie du dich hinter deiner Schweigsamkeit verschanzt. Ehrlich gesagt, bin ich persönlich enttäuscht, dass du so wenig Haltung an den Tag legst.«
    »Du würdest es also als ein Zeichen von Stärke ansehen, wenn ich einfach dem Drängen des Dämons nachgeben würde?«, fragte Adam nun deutlich aggressiver, so dass Leas Herz sofort schneller schlug.
    Professor Carriere hingegen ignorierte Adams anschwellende Wut. »So weit brauchst du meinetwegen nicht zu gehen«, sagte er ruhig. »Ich fände es schon beeindruckend, wenn du Manns genug wärst, dich mit Lea auf der

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