Morgenrot
Mit einer fahrigen Geste schüttelte sie Adams Hände ab, dann neigte sie sich über den Tisch zu Nadine, deren verstörter Gesichtsausdruck sie beinahe hysterisch auflachen ließ. Meine toughe Freundin Nadine! Wie würdest du erst aussehen, meine Süße, wenn du wüsstest, was mir gerade im Nacken sitzt, dachte Lea.
»Macht es dir etwas aus, wenn ich mich eine Zeit lang zur Bar begebe?«
»Wenn du nicht eine so gute Freundin wärst, würde ich jetzt beleidigt sagen: Ich habe ihn zuerst gesehen.« Obwohl Nadine einen Schmollmund aufsetzte, gelang es ihr nicht, ihre Verwirrung zu überspielen. Ein Blick auf Adam ließ ihre Lippen zu einem nervösen Strich werden. »Allerdings macht er von nahem nicht mehr den Eindruck, ein nettes Spielzeug zu sein. Bist du dir sicher, dass du einen Drink möchtest?Vielleicht sollten wir beide uns ganz fix ein Taxi rufen und zu Hause sorgfältig die Türen verschließen.« Als Lea sich mit einem gequälten Lächeln abwenden wollte, langte Nadine rasch nach ihrer Hand. »An dem wirst du dir die Finger verbrennen.«
»Das habe ich schon«, erwiderte Lea kaum hörbar, um sich dann, Adam ignorierend, ihren Weg durch die Menge zu bahnen.
»Einen Gin Tonic, bitte.«
Der Barkeeper schenkte Lea ein gleichgültiges Nicken, gab einem anderen Gast das Wechselgeld heraus und verschwand dann in Richtung Spülbecken.
An der Bar herrschte großes Gedränge.Trotzdem wusste Lea genau, dass es Adam war, der sich neben sie stellte. Die Energie, die von seinem Körper ausging, umhüllte sie wie ein knisternder Film. So als wäre jeder Quadratmillimeter ihrer Haut mit kleinen Antennen ausgestattet, deren Empfang ausschließlich auf ihn ausgerichtet war. Diese Magie hatte sie nie vergessen können; ein Teil von ihr hatte sich nach ihrer Flucht allem Widerstand zum Trotz danach gesehnt.
Als ihr Longdrink kam, trank Lea den Gin in einem Zug aus und drehte dann die eiskalte Tonic-Flasche zwischen den Händen. Erleichtert stellte sie fest, dass das taube Gefühl nach der Panikattacke sich allmählich verflüchtigte. Mühsam versuchte sie, sich zu sammeln, solange Adam ihr noch Zeit dazu ließ.
Aus den Augenwinkeln warf sie ihm einen hastigen Blick zu. Sein Haar glänzte dunkel, doch Lea dachte an den tiefen Honigton, den es annahm, wenn es vom Licht berührt wurde. Mit einem Arm stützte er sich auf dem Tresen ab, während der andere locker herunterhing. Die Körperhaltung entsprach einem lässigen Barbesucher, bereit zu einem Flirt. Aber Adam konnte niemanden täuschen, ihn umgab eine so bedrohliche Aura, dass ihm selbst hier im größten Gedränge Platz gemacht wurde. Niemand wollte das Risiko eingehen, diesen Mann auf sich aufmerksam zu machen oder gar durch eine Berührung zu provozieren.
»Es ist übrigens kein Zufall, dass wir uns hier treffen. Ich habe dich gesucht«, eröffnete Adam das Gespräch.
»Das interessiert mich nicht, Adam.« Lea staunte selbst über die Gewissheit, die in ihrer Stimme lag. »Ich möchte, dass du jetzt gehst. Ich will dich nicht in meiner Nähe haben.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann erwiderte Adam gelassen: »Darauf werde ich keine Rücksicht nehmen. Es ist ein Fehler von mir gewesen, zu akzeptieren, dass du mich verlassen hast.«
Lea schnaubte protestierend.
»Du solltest mich nicht unnötig reizen, Lea«, wies Adam sie augenblicklich zurecht. Der bedrohliche Unterton in seiner Stimme ließ sie zusammenzucken. Kalt und einschüchternd klang er und machte ihr erneut bewusst, wer dort an ihrer Seite stand. Welche Gewalttätigkeit und Kraft in diesem scheinbar menschlichen Körper steckte. Unwillkürlich flackerten Erinnerungsfetzen von Blut und zerstörten Körpern auf, so dass ihr die Tonic-Flasche aus den Händen glitt. Blitzschnell fing Adam sie auf und stellte sie achtlos auf den Tresen. Dabei brannte die kalte Wut in seinem Blick sich regelrecht in Leas Haut.
»Ich habe in all den Jahren nicht vergessen, dass du mich gezwungen hast, mich zwischen dir und Etienne zu entscheiden. Und wofür? Ich habe einen Freund im Stich gelassen für eine Frau, die ging, ohne ein einziges Mal zurückzublicken. Es ist deine Schuld, dass Etienne vernichtet wurde.« Auch wenn er merklich darum bemüht war, distanziert zu klingen, entging Lea nicht der Bruch in seiner Stimme. Die Vorstellung, dass seine Selbstbeherrschung bei der Erinnerung Risse erlitt, verstärkte ihre Besorgnis. Denn Wut machte Adam unberechenbar, lockte den Dämon hervor.
Adam kam ihr ein
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