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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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wissen, wie lebendig deine Fantasie ist. Sie wird dir schon ausmalen, was ich mit dir veranstalten werde, wenn du dich mir entziehst. Vielleicht denkst du einfach an die Zeiten, als du außerhalb meiner Nähe kaum atmen konntest.«
    Mit diesen Worten, die sie eindeutig beschämen sollten, lehnte er sich wieder mit dem Rücken gegen den Tresen. Sein ebenmäßiges, lebloses Profil versetzte Lea einen unerwarteten Stich. Damals, als Adam ihr wie ein Schatten gefolgt war, war seine Zurückhaltung die pure Qual gewesen. Aber die beharrliche Kälte, mit der er ihr nun entgegentrat, und die Skrupellosigkeit seiner Erpressung erschütterte sie weitaus mehr. Denn es kümmerte ihn nicht länger, ob sie etwas empfand - sei es nun Verliebtheit oder Furcht. Er verfolgte ausschließlich seine eigenen Pläne. Dass er nicht nur seine Zuneigung zu ihr verloren hatte, sondern offenbar auch den Respekt, verletzte sie so tief, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. Adam beachtete sie nicht länger. Lea war für diesen Abend entlassen.
    Es dauerte eine Zeit lang, bis sie sich so weit unter Kontrolle hatte, um sich vom Tresen abzustoßen und zum Ausgang zu begeben, ohne allzu sehr zu wanken. Gerade als sie die Eingangstür aufziehen wollte, spürte sie eine Berührung an der Schulter, die sie heftig zusammenfahren ließ. Es war Nadine. Ehe diese etwas fragen konnte, winkte Lea erschöpft ab. Gemeinsam verließen die beiden Freundinnen die Bar und traten in die Nacht hinaus.
     

7. Unter Wasser
    Die ersten Tage nach Adams Wiederkehr bescherten Lea das Gefühl, in einer schalldichten Taucherglocke gefangen zu sein, während der Ozean des Alltags wie ein seltsames Meereswesen stumm und gemächlich an ihr vorbeizog. In den Nächten wagte Lea es kaum, die Augen zu schließen.
    Immer wieder fuhren ihre Fingerspitzen über das zarte Narbengeflecht, das die Salzsäure ihr in Wange und Ohrmuschel gebrannt hatte, so wie die Erinnerung an diese Nacht ihre Seele gezeichnet hatte.
    Morgens stellte Lea der Katze einen vollen Napf hin und stolperte in den Verlag, wo alles Geschehen an ihr vorbeirauschte. Geduldig saß sie ihre Zeit ab und starrte handlungsunfähig auf den Bildschirm ihres Rechners. Wenn sie dann abends in ihrer Wohnung vom Blinken des Anrufbeantworters begrüßt wurde, bescherte es ihr jedes Mal Magenkrämpfe, ehe sie endlich den Mut fand, die Abhörtaste zu drücken. Aber es war stets nur Nadines Stimme zu hören. Paralysiert lauschte sie der zuerst fragenden, bald wütenden und zum Schluss verunsichert klingenden Stimme ihrer einzigen Freundin, unfähig, den Hörer aufzunehmen und sie zurückzurufen.
    Lea sah sich außerstande, mit Nadine über die Nacht in der Bar zu sprechen. Allein der Versuch hätte bedeutet, auch über andere Nächte zu sprechen. Vollkommen unvorstellbar. Gewiss könnte sie Nadine eine Beziehungsgeschichte auftischen, die an den gewalttätigen Neigungen ihres Geliebten gescheitert war - eben jenem atemberaubenden Mann in der Bar, den sie nun nach langer Zeit wiedergetroffen hatte. Diese Lüge und die unzähligen anderen, die sie sich in ihrer Verzweiflung ausdachte, waren eine süße Verführung. Denn sie sehnte sich danach, mit ihrer Freundin über Adam zu reden. Sie wusste jedoch nur allzu gut, dass jede Annäherung an dieses Thema zwangsläufig dazu führen würde, Nadine auch von dem quälenden Schmerz in ihrer Brust zu erzählen, weil die Sehnsucht nach diesem Mann sie in den Wahnsinn trieb.
    Lea sah Nadines verwirrtes Gesicht förmlich vor sich, das Nichtbegreifen sowie Mitleid verriet. Ihre Freundin war zwar eine starke Persönlichkeit, aber für ein solches emotionales Chaos war sie einfach nicht die richtige Ansprechpartnerin, redete sich Lea aus Feigheit ein. Wahrscheinlich würde Nadine, ohne mit der Wimper zu zucken, ihre Anwältin per Direktwahl anrufen, damit Adam das bekam, was -wenn es nach Nadine ginge - jeder aufsässige Mann verdient hatte: eine lebenslängliche Auszeit. Außerdem schämte sie sich für ihre
    Das Wochenende begrüßte Lea mit Nieselregen. Ihr graute vor den freien Tagen, von denen sie nicht wusste, wie sie sie am schnellsten hinter sich bringen sollte. Der Gedanke, weiterhin in einem Netz widerstreitender Gefühle gefangen zu sein, war wenig erfreulich.
    Während sie in einer Höhle aus Decken und Kissen auf dem Bett ihrer melancholischen Stimmung nachhing, tauchten mit einem Mal zwei spitze Katzenohren über dem Bettrand auf. Es folgte ein lebensbejahender Blick aus

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