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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Stück näher und sagte mit kaum verhohlenem Zorn: »Ich war so dumm, dir hinterherzulaufen und Etienne zurückzulassen. Wärst du in deiner idiotischen Panik nicht geflohen, hätte ich die Situation unter Kontrolle bekommen. Und dann wendest du dich auch noch von mir ab.« Sein Atem ging stoßweise, und Lea starrte verängstigt auf seine Lippen, die vor Anspannung blass geworden waren und leicht zitterten. »Als ich zur Villa zurückgekehrt bin, stand alles in Flammen. Adalbert hatte vollbracht, weshalb er erschienen war. Deinetwegen war ihm das gelungen. Du solltest also weder heute Abend noch irgendwann auf mein Wohlwollen zählen.«
    Schmerzerfüllt kniff Lea die Augen zusammen, als könnte sie dadurch das Bild ihres alten Professors verscheuchen. Etienne Carriere, dieser geniale Schöngeist und Menschenfreund. All die Jahre über hatte sie die Frage gequält, wie der Kampf um ihn ausgegangen sein mochte. Obschon Lea die Erinnerung an jene Nacht mit aller Kraft verdrängt hatte, war ihr diese Frage in jedem unvorsichtigen Moment ins Bewusstsein getreten und hatte ihr stets aufs Neue vor Augen geführt, was sie alles verloren hatte. Etienne Carriere war also vernichtet worden - ihretwegen, wie Adam ausdrücklich hervorhob.
    »Ich begreife das nicht ganz«, sagte sie stockend, während Adams elektrisierende Wut ihr die Luft zum Atmen raubte. »Du machst mich dafür verantwortlich, dass Etienne zerstört worden ist. Wenn du mich nach so langer Zeit nun bestrafen willst, warum kommst dann hierher, in eine überfüllte Bar?«
    Mit ausdruckslosem Gesicht beugte Adam sich zu Lea hinab, doch unter der Oberfläche tobte unleugbar ein Orkan. Am liebsten wäre Lea zurückgewichen, aber sie zögerte. Am Tresen standen die Gäste dicht gedrängt und boten ihr Schutz, aber nur so lange, wie sie sich unauffällig verhielt. Das Risiko, dass Adam die Unterhaltung draußen in der Dunkelheit fortsetzen wollte, weil sie mit ihrem Verhalten Aufmerksamkeit auf sich zog, war zu hoch. Sie hörte auf ihren Instinkt und ließ Adam gewähren. Als seine Hand ihre Hüfte streifte, zuckte er sichtlich zusammen. Es schien, als bringe die Berührung, so leicht sie auch war, etwas in ihm ins Wanken - zumindest dämpfte sie den Zorn, wie Lea erleichtert feststellte.
    Deutlich beherrschter ging er auf ihre Frage ein: »Mit >bestrafen< meinst du wohl verwandeln. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen: Ich habe nicht vor, nach der Pfeife des Dämons zu tanzen. Hier geht es nur um das, was ich will. Und ich will nach wie vor in deiner Nähe sein. Aber über das Warum werde ich mir nicht länger den Kopf zerbrechen. Schließlich gibt es niemanden, dem ich zur Rechenschaft verpflichtet bin.«
    »Ich bin also nicht nur an Carrieres Tod schuld, sondern auch noch ein Niemand. Das ist doch lächerlich, Adam!«, hielt Lea atemlos dagegen. »Gut, ich bin damals sehr naiv und gewiss auch mit der Situation überfordert gewesen. Etienne und du, eure Worte haben mich nicht darauf vorbereiten können, was der Dämon euch aufbürdet. Außerdem war ich so schrecklich verliebt in dich, dass mir eh alles vollkommen unwirklich erschien. Richtig verstanden, wozu ihr in der Lage seid, habe ich erst in der Nacht, als Truss mit ihrem zerschundenen Körper auf mich zugekrochen ist.«
    Unwillkürlich hielt sie inne, die Erinnerung an dieses Erlebnis war zu schmerzhaft. Im Nachhinein war sie sich sogar unsicher, ob dieser Moment ihr Leben nicht noch mehr geprägt hatte als ihre Liebe zu Adam. Nun wünschte sie sich sehnlichst, dass er ihr den Mund verbieten würde, nur damit sie ihre verletzte Seele nicht ganz offenbarte. Adam schwieg jedoch, und die Worte fanden ihren Weg von selbst über ihre Lippen. »Weißt du, was mich damals vollends den Verstand verlieren ließ? Dass du es gewesen bist, der Truss diese unaussprechliche Gewalt angetan hat. Dass es dir eine widerwärtige Freude bereitet hat, sie zu jagen und niederzuringen. Vielleicht kannst du dir selbst einreden, dass es dir bei diesem Kampf bloß um Etiennes und meine Verteidigung gegangen ist. Aber ich konnte die Mordlust in deinen Augen sehen, also tu ja nicht so scheinheilig.«
    Adam zog spöttisch die Augenbrauen hoch. Für einen Moment war die lähmende Angst wie weggewischt und es war fast wie früher: Lea befand sich im Streit mit dem alten Adam, der zwar von einer überlegenen Warte auf sie herabblickte, sich aber trotzdem zu ihr hingezogen fühlte. Wenn er sie als feige Verräterin brandmarkte, dann

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