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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Meinung scherte, sondern auch, weil das tiefe Drängen in ihrem Inneren sogleich wieder eingesetzt hatte, als ihr Körper seine Nähe gespürt hatte.Während all der vergangenen Jahre war dieses Sehnen wegen der Erlebnisse in Etienne Carrieres Haus verschüttet gewesen.
    Letztendlich hat es nicht viel gebraucht, um dieses Sehnen erneut zu wecken, dachte Lea spöttisch, während sie beim Bäcker duftende Buttercroissants kaufte. Es hatte auch wenig genutzt, die Luft anzuhalten und darauf zu hoffen, dass bald alles besser würde. Denn es war nie besser geworden. Die letzten Jahre waren ungefähr so angenehm gewesen wie das endlose Warten in einer Bahnhofshalle.
    Und so beschloss sie an diesem Samstagmorgen das Naheliegendste: Sie würde es Adam gleichtun. Sie konnte akzeptieren, dass ein unkontrollierbarer Teil sich zu ihm hingezogen fühlte, während die Vernunft sie unablässig auf die Gefahr hinwies. Die Lea jedoch, auf die sie Einfluss nehmen konnte, würde sein Spiel unbeteiligt mitspielen. Adam hatte recht, wenn er meinte, man dürfe sich dem Drängen anderer nicht ausliefem.Vielleicht war sie zu feige und zu schwach, um sich ihm zu widersetzen, aber sie war in der Lage, ihm ihre Zuneigung zu entziehen.
    Den Kopf gefüllt mit diesem Schlachtplan, schaute Lea noch beim Schlachter vorbei, um etwas Tartar für Minou zu besorgen. Die Katze hatte es sich wirklich verdient.
     

8. Eine Einladung
    Feindselig stierte Lea den Drucker an. Der Gestank, den er zusammen mit der muffig-warmen Luft ausspie, schlug ihr auf den leeren Magen. Außerdem trieb das monotone Rauschen, mit dem der Apparat Seite um Seite auswarf, sie fast in den Wahnsinn. Der Tag im Verlag war eindeutig zu lang und zu nervenaufreibend gewesen.Telefonate mit Autoren, die zwischen Verzweiflung und Euphorie taumelten, wurden von nicht enden wollenden Meetings abgelöst. Die Assistentin, eine ehrgeizige junge Frau mit einem Hang zur Perfektion, hatte am Vormittag, von Migräneanfällen gepeinigt, das Handtuch geworfen, und so musste Lea in all dem Chaos auch noch einen spontanen Geschäftstrip ihrer Chefin organisieren.
    Mittlerweile war sie der einzige Mensch auf der Etage, auf der der Verlag Quartier bezogen hatte, alle anderen waren längst in den Feierabend entschwunden. Sobald dieser verdammte Drucker die letzten Seiten des Manuskripts ausgespuckt hatte, würde sie in ihre Pumps schlüpfen, die sie schon vor Stunden genervt in die Ecke geschleudert hatte, sich beim Italiener um die Ecke noch eine große Portion Antipasti einpacken lassen und dann auf dem Sofa zusammenbrechen. Rotwein und der neueste Roman ihrer Lieblingsautorin - so viel Belohnung musste nach einem Tag wie diesem sein.
    Als sie schließlich, wie auf der Flucht, durch die menschenleere Lobby stürmte, hätte sie Adam fast übersehen. Mit einer unnachahmlichen Lässigkeit saß er mit übergeschlagenen Beinen in der Ledersitzgruppe neben der Eingangstür, eine zusammengerollte Zeitschrift neben sich. Der geöffnete Mantel ließ Anzug und Krawatte aufblitzen.
    Noch so eine neue Eigenart an Adam. Früher war er nie zurechtgemacht gewesen, hatte stets nur schlichte Hosen und Pullover getragen. Lea hatte diese Nonchalance damals ganz besonders anziehend gefunden, denn sein Stil hatte einen Kontrast zu seinem ungewöhnlich schönen Gesicht und seiner athletischen Körperhaltung gebildet. Diese modische Eleganz, gepaart mit Adams distanziertem Gebaren, gab Lea das Gefühl, ein falsches Requisit in einem Film noir zu sein.
    Kurz spielte sie mit dem Gedanken, einfach weiterzuhasten. So zu tun, als hätte es Adams Anblick nicht geschafft, Eingang in ihre verknoteten Gehirnwindungen zu finden. Gerade so, als hätte sie die Begegnung vor einigen Wochen in der Bar unter dem Motto »Ein verrückter Traum« abgelegt. Sollte er ihr doch hinterherlaufen, wenn er wollte!
    Aber dann fiel ihr Blick auf eine Frau, die hinter Adam stand wie des Teufels Advokat. Sie legte kurz vor der Sitzgruppe einen scharfen Stopp hin. Eine unnatürlich schlanke Hosenanzugträgerin, deren Blondhaar zu einem perfekten Chignon hochgesteckt war. So, wie sie sich leicht versetzt hinter Adam aufgebaut und die eine Hand auf die Rückenlehne des Sofas gelegt hatte, nur einen Hauch von seiner Schulter entfernt, hätte sie auch einer dieser Raben sein können, die Zauberern in Märchen auf der Schulter hocken und finster dreinstarren. Lea fühlte sofort eine abgrundtiefe Abneigung in sich aufsteigen. Am liebsten hätte sie die

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