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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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funkelnden Katzenaugen, der Lea sofort ein schlechtes Gewissen machte. »Du hast ja recht, Minou«, sagte sie. »Ich muss aufhören, meine Lebenszeit zu verschwenden.« Energisch strampelte sie die Decke von sich, schlüpfte in ihre Sportsachen und schnappte sich den iPod.
    Wie an jedem Morgen liefen, radelten und skateten die Menschen kreuz und quer durch den Park, mit ihrer bunten Regenbekleidung lauter Farbtupfer auf den weit ausladenden Wiesen und Spazierwegen.Trotz des Regenwetters tobten zwischen den Baumalleen die Kinder, und Hunde ignorierten die Anweisungen ihrer Besitzer.
    Lea zog die Baseballkappe tiefer ins Gesicht und drehte die Lautstärke auf, bis ihr der Gitarrenriff von Seven Nations Army fast das Trommelfell zersprengte. Aber sie wollte die Umgebung ausblenden, einfach laufen, bis sich zumindest ein von freigesetzten Endorphinen geschaffenes Glücksgefühl einstellte. Nach der langen Taubheit wollte sie endlich wieder sich selbst spüren, auch wenn sie dafür ihren untrainierten Körper antreiben musste.
    Anfangs richtete sie den Blick stur auf die weiß aufblitzenden Schuhspitzen und versuchte, sich ausschließlich auf die Atmung zu konzentrieren. Aber schon nach kurzer Zeit tauchte die Erinnerung an das Wiedersehen mit Adam auf. Sie schulde ihm etwas, hatte er gesagt. Dieser elende Mistkerl! Und was schuldete er ihr? Nur so etwas Läppisches wie Seelenfrieden. Sie hatte nicht nur allein mit dem ganzen Wahnsinn fertig werden müssen, sondern auch mit dem Verlust ihrer großen Liebe. Hatte er überhaupt die geringste Ahnung, wie schmerzvoll und zugleich leer ihr Leben seitdem war?
    Ohne es zu bemerken, war Lea zunehmend schneller gelaufen, getrieben vom Rhythmus der Musik und von wütenden Gedanken. Schon lange hatte sie die Spazierwege verlassen und lief stattdessen über einen Trampelpfad, als sich plötzlich die Muskeln an ihrer linken Wade verhärteten. Sie stieß einen Schmerzensschrei aus, der zwei andere Läufer vor ihr eine Kehrtwende machen ließ, um ihr zu Hilfe zu eilen.
    »Ist alles okay bei dir?«, fragte einer der beiden mit rotem Gesicht, während Lea vor ihm im Dreck hockte und wimmernd das linke Bein umklammerte.
    »Wadenkrampf«, brachte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Du musst dagegen anarbeiten«, erklärte ihr der andere Läufer fachmännisch. Kurzerhand packte er Leas angewinkeltes Bein und streckte es gerade durch.
    Der Schmerz schlug wie ein Blitz hinter ihren Augen ein und ließ sie erneut aufschreien. Dann ebbte der Schmerz ab. Mr. Gnadenlos griff Lea unter die Achseln und zog sie auf die Beine.
    »Immer schön weitermachen«, sagte er.
    Er gab Lea Hilfestellung, bis sie das pochende Bein wieder belasten konnte. Noch brannte und zuckte es, und weil es so guttat, schrie sie einfach noch einmal auf. Dann holte sie tief Luft, sagte brav »danke« und humpelte zu einem Findling am Wegesrand davon. Die beiden Läufer riefen ihr noch etwas über Magnesium und vernünftiges Aufwärmtraining hinterher, aber sie winkte nur ab. Erschöpft setzte sie sich auf den kalten Stein und suchte mit zittrigen Fingern nach dem Ausschalt-Button des iPod. Der Schweiß lief ihr zwischen den Schulterblättern hinab und sorgte dafür, dass ihr das T-Shirt am Rücken klebte. Trotz des Pochens in der Wade fühlte sie sich überraschend lebendig.
    Sie würde sich damit abfinden müssen, dass Adam das tat, wonach ihm der Sinn stand. Schließlich konnte sie sich weder vor ihm verstecken noch ihm Paroli bieten. Sie war ihm in jeder Hinsicht unterlegen: sowohl körperlich als auch emotional. Wahrscheinlich schuldete sie ihm wirklich etwas ... Im Gegensatz zu ihr hatte Adam sich damals für sie entschieden, weil er sie unversehrt an seiner Seite haben wollte, obwohl ihm der Dämon unentwegt zugesetzt hatte. Lea hingegen war in einem Moment vor Liebe noch völlig von Sinnen und im nächsten schon auf der Flucht gewesen.
    Vorsichtig massierte sie ihre Wade. Der Nieselregen hatte sich zu einem festen Schleier verwoben und durchnässte ihre Kleidung nun vollends. Auf der vor ihr liegenden Wiese tobten zwei Hunde, unbeeindruckt vom schlechten Wetter, durch das hohe Gras, während ihre Besitzer lediglich Schemen in der Ferne waren. Als sich die Gänsehaut auf Leas Armen nicht länger ignorieren ließ, stand sie auf und humpelte in Richtung Stadt davon.
    Widerwillig gestand sie sich ein, dass es ihr unmöglich war, Adam fortzuschicken. Nicht nur, weil er sich offensichtlich keinen Deut um ihre

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