Morgenrot
geschlagen zu haben, störte sie es nicht einmal, als eine neben ihr anhaltende Limousine sie in einen Schwall von Regenwasser hüllte. Schließlich war sie sowieso schon nass bis auf die Haut.
Erst als sie durch die von Regentropfen verschleierten Wimpern Adam erkannte, der mit einem aufgespannten Schirm auf sie zulief, machte sie vor Schreck einen Satz zurück. Das Manuskript rutschte unter dem Mantelstoff hervor und hätte sein sicheres Ende in einer Pfütze gefunden, wenn Adam es nicht mit raubtierhafter Schnelligkeit aufgefangen hätte. Nach dieser Heldentat folgte Lea ihm ohne Murren zum Wagen.
Im Inneren der Limousine lauerte ihr Megan auf, die ihr grußlos einen Haufen Kleidung hinhielt. Da Leas nasse Sachen ihr wie eine zweite Haut am Leib klebten, nahm sie das Angebot gern an, auch wenn ihr Megans Kleidervorgaben langsam gegen den Strich gingen. Allerdings fühlte sich der Chiffon der blassblauen Tunika wunderbar in ihren Händen an. Als Megan jedoch anfing, an ihrer vom Regen ruinierten Frisur herumzuzupfen, drohte Lea ihr einen Klaps auf die Finger an.
»Ich würde Ihnen dringend raten, einen Sicherheitsabstand von mindestens dreißig Zentimetern einzuhalten«, sagte sie und dabei war es ihr durchaus ernst mit der Drohung.
»Dann sollten Sie sich selbst um die Wiederherstellung Ihrer Frisur bemühen. Und zwar sofort«, schlug Megan vor, als Lea lediglich mit den Augen rollte. »Wenn ich nämlich den Eindruck bekommen sollte, dass das nichts wird, lasse ich es auf ein Handgemenge ankommen. In einem solchen Zustand werden Sie diesen Wagen jedenfalls nicht verlassen.«
Lea spielte kurz mit dem Gedanken, Adams Unterstützung einzufordern. Doch der starrte vom Beifahrersitz aus gleichgültig in den Regen hinaus.Wahrscheinlich war es auch besser so, denn es war würdelos genug, dass sich zwei erwachsene Frauen wie zwei zickige Teenager aufführten. Deshalb warf sie Megan lediglich einen drohenden Blick zu und machte sich dann an ihrer Frisur zu schaffen, indem sie das nasse Haar nach hinten strich und zu einem strengen Zopf flocht.
Die Limousine brachte sie in die Innenstadt, wo die offizielle Einweihung eines gerade fertiggestellten Gebäudes gefeiert wurde. Die untere Etage des Glaspalastes war dem städtischen Museum kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Hier sollte die an Bedeutung wachsende Sammlung von Fotografien untergebracht und ausgestellt werden. Lea hatte von der Eröffnungsveranstaltung gehört: Jeder, der in der Stadt über Rang und Namen verfügte, würde anwesend sein, so er denn eine der raren Einladungskarten erhalten hatte.
Als Adam sie am Ellbogen hineinführte, interessierte sie sich allerdings weniger für die mondänen Gäste als für die Architektur. Helle, verschwenderisch hohe Räume, deren grafische Anordnung sie an Pis Haus erinnerte. So war sie auch nicht überrascht, als sie das androgyne Wesen umherschlendern sah.Wie schon beim letzten Mal war Pi ganz in Schwarz gekleidet, gerade so, als wäre er - oder sie, wie Lea dachte - einer der gerahmten Fotografien entsprungen.
Während Pi zu beiden Seiten von beflissen nickenden Anzugträgern umringt war, schritt hinter ihm eine Gestalt einher, die sofort Leas Aufmerksamkeit erregte: Ein einschüchternder Mann mit dunklem Haar, dessen Brauen wie zwei Balken über den durchdringenden Augen hingen. Jedes Detail dieses Gesichts, ob nun markante Nase oder Kinn, schien zu schreien: Männlich! Verwegen! Gefährlich!
Sie erkannte instinktiv, wer dort durch die unbekümmert plaudernde Gästeschar schritt: ein Wolf im Schafspelz, der sich wegen der Dummheit der Lämmer allerdings kaum die Mühe machte, sein wahres Inneres zu verbergen.
Der umherschweifende Blick des Mannes blieb kurz an Lea hängen, und sie sah darin etwas Hemmungsloses, das sie zutiefst schockierte. Rasch senkte sie die Augen und drängte sich dichter an Adams Seite.
Offensichtlich war auch Adam der Blick, der Lea aus der Fassung gebracht hatte, nicht entgangen. Sofort spannte sich seine Körperhaltung an und verriet, dass er einem Kampf mit diesem provozierenden Mann regelrecht entgegenfieberte. Da mochte Adam dem Dämon noch so viel Widerstand leisten, wie er wollte, aber wenn es um ein Kräftemessen mit einem ebenbürtigen Gegner ging, lechzten Mann und Dämon im Einklang nach Blut. Das außer Kontrolle geratene Ringen mit Truss hatte offensichtlich keinen bleibenden Eindruck bei Adam hinterlassen.
Diese Reaktion beunruhigte Lea, und ihr Herz überschlug sich
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