Morgenrot
Unwürdigkeit, an Adams Seite zu stehen, unter Beweis stellen könnte. Aber diesen Gefallen würde Lea ihr nicht tun. Lieber stand sie zur Salzsäule erstarrt da und hielt die Atmung künstlich flach, während eine Haarsträhne sie am Mundwinkel kitzelte.
»Interessante Ausstellung«, versuchte Megan, ein Gespräch anzuregen. Dabei machte sie ein Gesicht, als wäre sie gezwungen, etwas Freundliches über ein paar Rotznasen zu sagen, die ihr gerade die Zunge rausgestreckt hatten.
»Ehe ich mich ernsthaft mit Ihnen über Kunst unterhalte, müssen Sie mir schon noch ein paar von denen hier besorgen«, gab Lea unwirsch zurück und schwenkte das leere Glas. Megan ging mit steifen Schritten davon, und Lea konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen: »Bei einem so vorbildlich abgerichteten Kläffer sollte eigentlich ein Schwanzwedeln drin sein.«
Megans zuckende Schultern verrieten, wie sehr sie die Worte trafen, dennoch ging sie unbeirrt einem Kellner entgegen, um ihm ein neues Glas abzunehmen.
Nach dem Schlagabtausch ärgerte sich Lea über sich selbst: Statt ihre Niedergeschlagenheit direkt an Adam auszulassen, lieferte sie sich einen armseligen Kleinkrieg mit seiner Handlangerin Megan. Sie atmete tief durch und gelobte Besserung. Leider erwies sich Megan nach ihrer Rückkehr als resistent gegenüber Versöhnungsgesten. Leas halbherzige Versuche, eine Unterhaltung in Schwung zu bringen, wurden mit Einsilbigkeit abgestraft. Selbst ein Kompliment zum eleganten Hosenanzug entlockte ihr lediglich einen Blick, der deutlich machte, was Megan von Leas Modeverstand hielt. Dämliche Sklavin, dachte Lea beleidigt. Dann schweigen wir uns eben an.
Als Adam endlich zurückkehrte, war der verspielte Zug aus seinem Gesicht verschwunden. Lea konnte die Kluft, die sich plötzlich zwischen ihnen aufgetan hatte, förmlich fühlen. Er blieb noch einige Minuten in Gedanken versunken neben ihr stehen, dann entließ er sie mit einer knappen Verabschiedung. Sie versuchte gar nicht erst, ihn auf irgendeine Art zu berühren, sondern verließ - verstört über die unüberwindbare Kühle, die von ihm ausging -die Ausstellung. Draußen brachte Megan sie zu der Limousine, und Lea bekam nicht einmal mit, ob diese sich über die Art, wie Adam sie abgeschoben hatte, amüsierte.
Zu Hause angekommen, stand Lea lange Zeit regungslos vor dem Spiegel und schaute sich an, als betrachtete sie eine Fremde. Vielleicht lag sie mit diesem Vergleich auch gar nicht so falsch, denn mit der Frau, die sie mutlos und verletzt anstarrte, hätte sie am liebsten nichts zu tun gehabt.
Einige Tage später folgte ein Abendessen mit einer Gruppe von Leuten, die sich alle um Adam bemühten und aufgeregt durcheinanderredeten. Hinterher konnte Lea sich beim besten Willen an kein einziges Detail des Essens mehr erinnern.
Am frühen Abend hatte sie nämlich - wie schon an den Abenden zuvor - zwei Schlaftabletten eingenommen, weil sie vor lauter Stress und Verwirrung kaum noch zur Ruhe kam. Sie war bereits eingeschlafen, als Megan sie plötzlich vom Sofa gezerrt und sie mit gnadenlosem Drill wie eine Anziehpuppe herausgeputzt hatte. Lea war viel zu betäubt gewesen, um ernst zu nehmenden Widerstand zu leisten.
»Hören Sie eigentlich jemals Ihren Anrufbeantworter ab, oder betrachten Sie ihn lediglich als Dekorationsstück?«, hatte Megan gereizt gefragt, während sie ruppig an Leas Haaren gezerrt hatte. Offensichtlich hatte Megan den deutlich formulierten Auftrag auf dem Apparat hinterlassen, dass Lea sich am Abend für Adam bereitzuhalten habe.
Es hatte eine Weile gedauert, bis Lea zu einer Erwiderung imstande gewesen war. »Seit Nadine ungefähr eine Billion wütender Nachrichten darauf hinterlassen hat, meide ich den Apparat tunlichst. Nadine ist meine Freundin«, hatte sie benommen nachgesetzt.
Doch Megan hatte schon nicht mehr zugehört, sondern Lea ein Paar mit Schmucksteinen besetzte Sandalen hingehalten. Da Lea sich im Funkeln der Steine zu verlieren gedroht hatte, hatte Megan sie mit einem schlichten, aber effektiven »Anziehen!« angeherrscht.
Während Megan eifrig ihr Dekollete hergerichtet hatte, hatte sich Leas von den Tabletten benebelter Geist hartnäckig gefragt, wie diese Frau überhaupt in ihre Wohnung gelangt war. Die elegante Megan mit einem Bund voller Dietriche - wie passte das denn, bitte schön, zusammen?
Nun saß Lea mit verwirrtem Gesichtsausdruck im Separee eines Edelitalieners. Zur Begrüßung hatte Adam ihr einen hochprozentigen Aperitif
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