Morgenrot
fast vor Aufregung. Erst jetzt wurde sich Adam der Verantwortung seiner Begleitung gegenüber bewusst. Kurz streichelte er ihre Schulter, senkte jedoch rasch wieder die Hand, als hätte er sich verbrannt.
»Das ist Macavity«, sagte er gedämpft. »Das passende Gegenstück zu Pi - sehr eindeutig in seinem Auftreten ... eindeutig aggressiv. Schwierig zu sagen, wer von den beiden gefährlicher ist.«
Lea blieb ihm eine Antwort schuldig. Ansonsten hätte sie ihn darauf hinweisen müssen, dass dieser Macavity nicht der einzige Mann im Raum war, der seine Lust auf eine Auseinandersetzung kaum zu zügeln vermochte.
Als sie wieder aufblickte, war der Furcht einflößende Mann verschwunden und mit ihm der Eindruck von Gefahr, den sie wie einen lähmenden Bann gespürt hatte.
Sobald Pi sie bemerkt hatte, steuerte er auf sie zu, ein Lächeln im Gesicht, das Lea auf unangenehme Art an das Grinsen der Katze aus Alice im Wunderland erinnerte. Deshalb war es ihr mehr als recht, dass Pi geschmeidig an Adams Seite glitt und ihn in Beschlag nahm, ohne sie zu beachten.
Obgleich Pi schon nach wenigen geflüsterten Sätzen weiterschwirrte, schritt Lea noch die nächste halbe Stunde unbeachtet an Adams Seite durch die Ausstellung. Sämtliche Versuche, ihm eine Reaktion abzutrotzen, scheiterten an seinen gut geölten Abwehrmechanismen: Seine Ohren schalteten automatisch auf Durchzug, wenn sie laut über eine Fotografie nachdachte, und sein Blick bot ihr nicht ein einziges Mal die Möglichkeit, ihn einzufangen. Er hielt durchgehend Abstand, und sogar ihren zaghaften Bemühungen, seinen Handrücken oder die Schulter zu streifen, wich er mit einer Geschmeidigkeit aus, die sie verzweifeln ließ. Schließlich beschloss sie, den Rest Stolz zu wahren, der ihr noch geblieben war. Aber als sie sich zum Gehen abwenden wollte, legte Adam ihr blitzschnell den Arm um die Taille und zog sie an sich heran.
»Du kannst noch nicht gehen«, sprach er ihr leise ins Ohr, wobei es ihr schwerfiel, seine Stimme richtig zu deuten: Klang sie drohend oder vielleicht doch bittend?
Lea spielte kurz mit dem Gedanken, die Chance zu nutzen und ihn in ein Streitgespräch zu verwickeln, doch dann hielt sie inne: Sie befürchtete, mehr von ihrer Stimmung preiszugeben, als ihr lieb war. In den letzten Tagen hatte sie sich eingestehen müssen, dass Adam ihr fehlte. Seine Abwesenheit hatte mehr an ihr gezerrt als der verletzte Stolz.
Ihr Schweigen weckte Adams Aufmerksamkeit, als wäre er sich ihrer Gegenwart erst in dem Moment bewusst geworden, in dem sie sich ihm entziehen wollte. »Lea«, sagte er flüsternd, und es klang, als spräche er den Namen seiner Lieblingsnascherei aus -hingebungsvoll, aber mit leicht amüsierter Note.
Sanft umfasste Adam ihr Kinn und brachte sie dazu, ihn anzuschauen. Sofort nahmen sie diese tiefgrünen Augen gefangen. Ihr Körper entspannte sich augenblicklich, jeder Gedanke an Flucht war ihr mit einem Mal fremd. Bis in alle Ewigkeit konnte sie so vor ihm stehen, völlig versunken in die Betrachtung seines schönen Gesichts.
Ein Seufzen brachte Lea wieder zu sich.Wer hatte hier eben ergeben geseufzt? Das konnte auf keinen Fall sie selbst gewesen sein. Beschämt schlug sie sich die Hand vor den Mund, der Bann war gebrochen. »Das ist unfair«, brach es aus ihr hervor. »Du brauchst mich nicht zu hypnotisieren, damit ich bleibe. Ein wenig höfliche Zuwendung würde schon ausreichen!«
Adams Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Dafür habe ich leider nicht die Zeit. Ich werde dich jetzt sogar für einen Augenblick verlassen müssen.«
»Du willst doch wohl nicht etwa hinter diesem Macavity her?«
»Nein«, antwortete Adam und lachte kurz auf. »Den hebe ich mir für ein anderes Mal auf. Aber Pi möchte mich ein paar Leuten vorstellen und du ...« Er tippte ihr kurz auf die Nasenspitze, als wäre sie ein launisches Kätzchen, »... du wartest hier auf mich, ja? Megan wird dir währenddessen Gesellschaft leisten.«
»Megan? Das ist nicht dein Ernst!«
Aber Lea konnte ihre Verdrossenheit nicht mehr in Worte fassen, denn Adam hatte seiner rechten Hand, die sich bislang im Hintergrund gehalten hatte, schon ein Zeichen gegeben. Daraufhin gesellte sich Megan zu Lea und überreichte ihr, einer Friedenspfeife gleich, ein Champagnerglas. Adam nutzte Leas zornige Erstarrung, um in der Menge zu verschwinden.
Obwohl Megan ihr ein bemühtes Lächeln schenkte, war Lea sich sicher, dass diese Frau in Wirklichkeit nur daraufwartete, wie sie ihre
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