Morgenrot
auf und lag ausgekleidet in ihrem Bett, während Adam - zu ihrem Elend vollständig bekleidet - im Schaukelstuhl saß, sie aufmerksam beobachtete und dabei die schnurrende Katze streichelte. Er ging, ehe sie ein Wort sagen konnte.
12. Ein Abend in der Oper
So sah inzwischen also Leas Leben aus: Kaum verließ sie den Verlag, schon saß sie wie aufglühenden Kohlen und wartete ab, ob Adam für irgendeinen Auftritt ein menschliches Accessoire am Arm brauchte. Was hatte er noch einmal in der Küche gesagt? Er wäre zu ihr zurückgekehrt, weil er in ihrer Nähe sein wollte ... Das muss wohl ein Witz gewesen sein, dachte Lea bitter. Mittlerweile fühlte sie sich wie eine Hostess, die auf Abruf bereitstand. Als Sahnehäubchen bot sie die außervertragliche Leistung, ihren Begleiter von der Seite her anzuschmachten.
Der Höhepunkt dieser Entwicklung sollte ein Abend in der Oper werden: Am Vormittag stattete Megan Lea einen unerwarteten Besuch im Verlag ab, beladen mit zart fliederfarbenen Kartons und einer im Stakkatoton vorgetragenen Liste, wann Lea wo und wie zurechtgemacht zu erscheinen habe. Adam würde zusammen mit einer Gesellschaft in die Oper gehen, und da sollte sie gefälligst sofort parat stehen und ihn schwungvoll in Empfang nehmen, erklärte Megan kurz angebunden.
»Ihnen ist nicht zufällig der Stapel Arbeit auf meinem Schreibtisch aufgefallen?«, unterbrach Lea Megans Redefluss. »Sie können Adam ausrichten, dass ich Besseres zu tun habe, als mich herauszuputzen und dann gelangweilt meine Zeit an seiner Seite abzusitzen.« Es wollte ihr einfach nicht gelingen, ihre Enttäuschung über die beiden letzten Treffen zu überspielen.
Megan verzog ihren akkurat geschminkten Mund zu einem Lächeln, und zum ersten Mal entdeckte Lea ein Funkeln in ihren Augen. »Lea«, sagte sie mit sanfter Stimme, als rede sie mit einem trotzigen Kind. »Wir wissen doch beide, dass das Unsinn ist. Natürlich werden Sie im Foyer auf Adam warten. Das steht hier doch gar nicht zur Debatte.Wenn der Herr pfeift, folgen wir beide artig. Das haben Sie doch selbst neulich so schön in Worte gefasst! Falls Sie mit dem Outfit nicht zurechtkommen sollten, rufen Sie mich bitte an. Ich stehe dann -wie gewohnt sofort zur Stelle.«
Ehe der verdutzten Lea eine angemessene Unverschämtheit einfiel, war Adams böse rechte Hand zur Tür hinaus. Zunächst setzte sie sich wieder hinter den Schreibtisch, als wäre nichts geschehen. Doch nachdem ihre Augen zum hundertsten Mal magisch vom Schachtelturm angezogen worden waren, gestand sie sich ein, dass sie schlicht zu neugierig war, um weiterzuarbeiten. Also gab sie sich geschlagen.
Beim ersten Durchsehen der Schachteln staunte Lea nicht schlecht über die Auswahl an Kleidungsstücken, mit denen Megan sie bedacht hatte. Wie detailliert Adams Vorgaben hierzu wohl dieses Mal gewesen sein mochten? An jedem dieser ungeliebten Abende war in Adams Augen bei ihremAnblick einAufblitzen auszumachen gewesen. Stets hatte er versucht, es hinter seiner ausdruckslosen Maske zu verbergen. Doch das Funkeln hatte ihr verraten, dass seine Vorgabe »soll zum Anbeißen aussehen« gelautet haben musste. Jedenfalls war Megan ihrer Pflicht mit einer an Perfektionssucht grenzenden Sorgfältigkeit nachgekommen - und heute hatte sie sich dabei selbst übertroffen.
Lea hielt sich das Cocktailkleid aus taubengrauem, in Falten gelegtem Chiffon vor den Körper und betrachtete ihr schemenhaftes Spiegelbild in der Fensterscheibe. Formvollendete Eleganz, anders konnte sie das Kleid nicht bezeichnen. Einmal mehr hatte sie den leisen Verdacht, dass sich Megan mit der Kleiderwahl auch ein wenig über sie lustig machte, indem sie die ansonsten legere Lea als Dame von Welt verkleidete. Sie konnte geradezu Megans versnobte Stimme hören, die darauf hinwies, dass dieses Kleid die gute Lea schon tragen würde.
Noch einmal studierte Lea das Outfit und kam zu dem Entschluss, dass Megan auf den ersten Blick alles richtig gemacht hatte. Aber wenn man darüber nachdachte, entpuppte es sich als eine der epidemisch auftretenden Audrey-Hepburn-Kopien. Der schlechte Geschmack der Hölle bestand also darin, besonders smart aussehen zu wollen, tröstete sie sich.
Nach diesem im Geiste ausgetragenen Zweikampf mit Megan übersprang Lea die Frage, ob sie nun Adams Anweisung nachkommen sollte oder nicht. Es fiel ihr unsäglich schwer, dennoch musste sie Megan in diesem Punkt recht geben: Sie würde, wie bestellt, an Ort und Stelle sein, denn Adam
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