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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Momenten auflauern. Stets würde sie sich die Frage stellen, auf welche Art diese Wunden der entrückten Agatha zugefügt worden waren.
    Währenddessen sah Pi mit unverhohlener Neugierde Agatha dabei zu, wie ihre unnatürlich schlanken Finger mit den abgehackten Bewegungen von Spinnenbeinen über das Wildleder glitten, bis sie beide Arme weit ausgebreitet hatte. In dieser Position verharrte Agatha.Die hochgerutschten Ärmel ihres Kleides gaben ein wirres Geflecht von Schnittwunden preis, die kreuz und quer über den Puls verliefen. Allerdings hatte der Dämon sich bereits darangemacht, die klaffenden, blutleeren Wunden zu heilen.
    Nach einer Weile gebannten Staunens gelang es Lea endlich, den Blick von Agatha abzuwenden. Während sie die dunkelrote Oberfläche des Teppichs musterte, der die Sitzgruppe umgab, rang sie um Fassung. Trotz allem, was sie bislang erlebt hatte, war sie mit dieser Situation schlichtweg überfordert.
    So reagierte sie auch nicht, als die Seitentür geöffnet wurde und mit einem leisen Klacken wieder zuschnappte. Erst als Pi den Kopf abrupt zur Seite drehte, begriff Lea, dass Adam den Raum betreten hatte. Verwirrt schaute sie ihn mit gesenktem Kopf an. Zuerst sah es so aus, als wolle er direkt auf sie zugehen, doch ein kaum vernehmbares Zischen aus Pis Richtung ließ ihn ein paar Schritte von ihr entfernt stehen bleiben.
    Lea erkannte sofort, dass Adam unter einer enormen Anspannung stand, die er sich nicht anmerken lassen wollte. Zwar hingen seine Arme locker herab, aber die Hände waren zu Fäusten geballt. Auch die leicht vorgebeugten Schultern verrieten, dass Muskeln und Sehnen nur auf den Befehl warteten, ihre Spannung in einen Angriff umzuleiten. Stattdessen musterte Adam schweigend die seltsame Runde, wobei sich eine tiefe Zornesfalte zwischen den Brauen eingrub.
    »Schön, dass du hier bist«, zwitscherte Pi und streckte genüsslich die Arme über dem Kopf aus. Dabei tippten die schwarz lackierten Zehen kurz auf dem Boden auf. »Ich befürchte nämlich, dass Lea unserer Gesellschaft allmählich überdrüssig ist.«
    Adam atmete tief durch, dann antwortete er mit gedämpfter Stimme: »Dann hatte sie ja Glück, dass ich überhaupt in der Nähe des Hauses war. Wer hätte sie sonst wohl gerettet?«
    Pi setzte ein Lächeln auf, das nicht verriet, ob er die Andeutung und die nur schwerlich unterdrückte Wut in Adams Stimme bemerkt hatte. »Wir beide, Lea und ich, haben uns gerade so nett über den Wert der Freundschaft unterhalten«, fuhr er unbekümmert fort. »Dass sich hinter dieser Art von Verbindung immer eine große Verantwortung verbirgt, der man sich nicht entziehen darf. Dass man sich um seine Freunde kümmern muss ... Tja, und dann hat uns Agatha ganz unerwartet eine ihrer beeindruckenden Vorstellungen geliefert.«
    »Du lädst Lea ohne mein Wissen in dein Haus ein, während Macavity und seine schwachsinnige Gefährtin von der Leine gelassen sind?«
    Der unterdrückte Zorn ließ Adam so sehr den Kiefer aufeinanderpressen, dass Lea damit rechnete, das Krachen von zersplitterten Zähnen zu hören. Sie spürte geradezu körperlich, wie der Teil von Adam, der seine Vernunft beheimatete, stetig an Kontrolle verlor und das Feuer des Dämons durch die Risse der bröckelnden Fassade strahlte. Nur mit größter Mühe beherrschte sie den Drang, einfach zu fliehen.
    Sogar Agatha schien die drohende Gefahr wahrzunehmen: Ohne ein Geräusch zu verursachen, lief sie mit ungeahnter Zielstrebigkeit durch die immer noch offen stehende Flügeltür aus dem Zimmer, in dem sich die Anspannung rasant zu einer erstickenden Atmosphäre verdichtet hatte.
    Pi hingegen strich mit einer überzogen ruhigen Bewegung den Stoff an seinen schmalen Oberschenkeln glatt und sagte ausdruckslos: »Beruhige dich bitte wieder, mein Guter. Diese finstere Miene steht dir zwar ausgesprochen gut zu Gesicht, aber hierbei handelt es sich lediglich um einen netten Plausch unter Mädchen. Da ich dich kaum noch zu sehen bekomme, dachte ich mir: Warum sollte ich mir die Zeit nicht mit Lea vertreiben? Deine bessere Hälfte leidet schließlich genauso unter deinem Einsamer-Wolf-Verhalten wie ich. Natürlich hätte ich mir dieses Beisammensein mit ihr untersagt, wenn ich geahnt hätte, dass es dich dermaßen in Rage bringt. Ehrlich gesagt, habe ich mir nichts weiter dabei gedacht.«
    »Du hast dir nichts dabei gedacht? Das soll wohl ein Scherz sein! Wir wissen doch beide nur allzu gut, dass du nicht einmal mit der Wimper zuckst, ohne

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