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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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sie viel zu aufgeregt für ein elegantes Ablenkungsmanöver, und Pis herausforderndes Lächeln machte ihr deutlich, dass sie für die dreiste Provokation von eben zahlen würde. Die alte Spinne würde ihre Beute noch eine Zeit lang im Netz zappeln lassen und sich an ihrem Herzklopfen ergötzen.
    Vor einigen Minuten hatte Lea sich noch fest vorgenommen, Adam die nächsten hundert Jahre die kalte Schulter zu zeigen, nun wollte sie nur die Arme um seinen Hals schlingen und ihn bitten, sie nach Hause zu bringen. Sie wollte eine Tasse Tee, sie wollte, dass er ihr den Kopf streichelte und mit seiner tiefen Stimme beruhigend auf sie einredete. Doch Adam ließ auf sich warten und so versuchte Lea, ihr Gegenüber in ein halbwegs normales Gespräch zu verwickeln. »Ich mag die Art, wie Sie Ihr Haus eingerichtet haben. Sehr sophisticated«, sagte sie matt. Dann zog sie mühsam die Mundwinkel nach oben. Das Ergebnis war armselig, trotzdem hielt sie es tapfer aufrecht.
    Pi hingegen gelang es deutlich besser, ein Lächeln hervorzuzaubern, auch wenn es genauso unecht war wie Leas. »Vielen Dank. Und ich mag deine unverblümte Art der Konversation. Sehr einnehmend. Ich kann mir gut vorstellen, dass du über ein breites Netz an Freundinnen verfügst, nicht wahr?«
    Eindeutig weiblich, befand Lea. Diese Anspielung in zuckersüßer Verpackung bekam nur eine Frau so raffiniert hin. Mit einem Schlag vergaß Lea ihre Furcht, diese hinterhältige Art hatte sie noch nie ausstehen können. »O ja«, entgegnete sie aufgeregt und rutschte mit ihrem Hintern bis auf die äußerste Sofakante vor. Die Stimme hatte sie um eine Oktave nach oben geschraubt. »Freundinnen sind etwas Wunderbares! Allerdings sollte man gut aufpassen, wenn man jemanden Neues kennenlernt. Denn es ist besser, sehr wählerisch vorzugehen. Nicht jede Person, die sich einem aufdrängt, hat auch Beachtung verdient. Man muss immer hinter das Lächeln schauen ... Sie verstehen doch sicherlich, was ich meine?«
    Lea blinzelte Pi verschwörerisch zu, doch anstatt beleidigt die Nase zu rümpfen, spiegelte sich nur kühle Berechnung auf den Gesichtszügen. »Das sehe ich ganz genauso«, sagte Pi und blickte ihr tief in die Augen. »Seine Freundinnen sollte man sich ganz genau anschauen. Ich vertrete sogar die Meinung, dass man ihnen auf die Finger schauen sollte.Wenn man dann nämlich feststellt, dass sie die in Angelegenheiten hineinstecken, die sie nichts angehen, kann man ihnen rasch einmal drauf klopfen, bevor das jemand anders übernimmt. Bist du eine gute Freundin, Lea?«
    Lea blinzelte, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht bekommen. »Bin ich deshalb hier, weil Nadine ihre Nase in Ihre Angelegenheiten gesteckt hat?«, fragte sie heiser. »Wenn Sie mir drohen wollen, dann kann ich Ihnen gleich versichern, dass ich mit Druck ganz schlecht umgehen kann. Sollten Sie also mit dem Gedanken spielen ... Wo, zum Teufel, steckt Adam eigentlich!«
    Ohne über die Folgen nachzudenken, war Lea aufgesprungen und auf Pi zugegangen. Angriffslustig beugte sie den Oberkörper leicht nach vorn. Das Bedürfnis, sich zur Wehr zu setzen, ließ sie für einenAugenblick vergessen, dass das zerbrechliche Wesen vor ihr nur ein Trugbild war, hinter dem sich eine Kraft versteckte, der Lea nicht im Geringsten gewachsen war. Doch ehe sie zum Opfer ihrer Fehleinschätzung werden konnte, flog eine der Flügeltüren so weit auf, dass sie mit lauten Knall gegen die Wand donnerte. Augenblicklich stellte sie ihre Drohgebärden ein und schaute zur Tür. Auch Pi schien überrascht und richtete sich leicht auf, um über die hohe Rückenlehne des Sofas blicken zu können.
    Zu ihrer Enttäuschung betrat eine junge Frau das weitläufige Zimmer. Ihr platinblondes Haar war am Hinterkopf antoupiert und einige Strähnen hingen vom Nacken schnurgerade bis aufs Schlüsselbein. Ein überlanger Pony, der hinters Ohr geklemmt war, umgab das aufsehenerregende Gesicht wie ein Rahmen aus Edelmetall. Am meisten jedoch beeindruckte die Nase mit ihrem hoch angesetzten Höcker, der zwischen den prägnanten Nasenflügeln in eine feine Spitze auslief, die sich noch einmal vorwitzig nach oben bog. Im Verhältnis zu diesen Attributen nahmen sich die dunkel geschminkten Augen fast gewöhnlich aus: Sie waren grau und leblos.
    Die junge Frau trug ein Wickelkleid aus Seide, das mit grafischen Mustern bedruckt war. Um ihren Hals hing eine mehrreihige Perlenkette, die bis zum Bauchnabel reichte. Der V-förmige Ausschnitt des Kleides

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