Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung
glühendsten Farben geschildert zu haben. Er beschloß, sehr vorsichtig zu sein. Sehr, sehr vorsichtig. Und noch immer hatte er weder Messer noch Gabel.
Gaylord wanderte um den Tisch herum und gab, lediglich um die Zeit totzuschlagen, jedem einen Kuß. «Mr. Roberts hat sein Fleisch nicht gegessen», verkündete er.
«Schmeckt es Ihnen etwa nicht?» fragte Opa in kriegerischem Ton.
«Ich habe kein Besteck», gab Mr. Roberts fast ebenso kriegerisch zurück.
«Guter Gott», fuhr es Opa heraus. Saß da und gab keinen Ton von sich! Konnte denn jemand so blöd sein? «Nun gib ihm doch mal einer sein Eßwerkzeug», befahl er.
«Entschuldige tausendmal, Bobs.» Rose war den Tränen nahe. Sie brachte Messer und Gabel, «’kay.» Bobs gelang es, in diese abscheuliche Silbe eine Welt von Ironie hineinzulegen.
«Gaylord, ab mit dir», sagte Mummi. Wie eingleisig diese Frau doch dachte. «Ich hab Hunger», sagte Gaylord.
«Du darfst dir einen Keks nehmen.»
«’kay», sagte Gaylord.
«Was hast du gesagt?» fragte Paps drohend. Kleinere Vergehen wie Lügen oder Stehlen vermochte er allenfalls noch hinzunehmen, aber wenn sich jemand an der Muttersprache verging, inszenierte er, wie Mummi sagte, sofort seinen großen Auftritt: «Was hast du da eben gesagt?»
«’kay», erklärte Gaylord in der sicheren Gewißheit, zwei; Züge vorauszusehen.
«Wie oft habe ich dir...?» begann Paps außer sich.
«Mr. Roberts hat es auch gesagt», trumpfte Gaylord auf. Wäre er alt genug gewesen, sich auf Schach zu verstehen, hätte er hinzugefügt.
«Wenn du erst mal so alt bist wie Mr. Roberts...» begann Paps seine übliche Antwort. Gaylord blieb unbeeindruckt. Aber Mummi, wie immer die beiden dialektischen Duellanten trennend, griff sich Gaylord und schob ihn kurzerhand aus dem Zimmer. Als sie zurückkam, warf Opa ihr einen bewundernden Blick zu. «Ich ziehe das fortiter in re dem suaviter in modo vor. Wie halten Sie es, Mr. Robinson?» 1
«Roberts», korrigierte Bobs. «Wie bitte?»
Opa machte ein finsteres Gesicht und aß weiter. Er war nicht gewillt, seine Zeit mit langatmigen Erklärungen zu verschwenden.
Becky wandte sich Bobs zu. Sie lächelte ihn so strahlend i an, daß es ihm einen Augenblick lang richtig schwindlig wurde. «Vater will damit sagen, daß er mehr für kurzen J Prozeß ist.»
«Oh», sagte Bobs. «Vielen Dank.» Er lächelte zurück.
«Stets gern zu Diensten», sagte Becky wiederum strahlend. Eine Sekunde lang berührte ein entschlossenes zartes Knie das seine. Wieder ergriff ihn ein Schwindelgefühl. Er sah auf und blickte direkt in Roses Augen, die ihn vom anderen Tischende aus schmachtend ansahen. «Bobs, hast du auch alles, was du brauchst?» fragte sie.
«Ja, ’kay», sagte Bobs.
Rose zermarterte ihr Hirn, was sie noch sagen könnte, aber ihr fiel absolut nichts ein. Diese verdammte Becky, dachte sie, hat schon einen Mann und ist jetzt noch hinter meinem her. Nur weil’s ihr Spaß macht. Aber Becky reagierte einfach auf jedes Mannsbild wie Benzin auf ein flammendes Streichholz. «Was haben Sie für einen Beruf, Mr. Roberts?» gurrte sie.
«Ich bin Lehrer», sagte Bobs.
«Ach, du großer Gott», ließ sich Opa vernehmen.
«Wie bitte?» fragte Bobs erschreckt.
Konnte der blöde Kerl denn nichts anderes als sagen? Becky schaltete sich wieder als Übersetzerin ein und erklärte: «Vater hält nicht viel von Lehrern.»
Über diese bemerkenswerte Erklärung mußte Mr. Roberts nachdenken. Rose sagte: «Kümmere dich doch nicht um ihn, Bobs. Ich finde, Lehrer ist ein sehr ehrenwerter Beruf.»
«Das finde ich auch», sagte Becky im Brustton der Überzeugung.
«Jedenfalls haben sie verdammt lange Ferien», ließ Peter sich zum erstenmal vernehmen. Dabei lachte er nervös.
Opa warf ihm einen säuerlichen Blick zu. «Müssen sie ja auch», meinte er. «Wie soll man sonst überhaupt jemand für diesen Job finden?»
Bobs sagte förmlich: «Schließlich gibt es auch so etwas wie Berufung, Sir.»
«Nicht bei Lehrern», erklärte Opa entschieden.
Becky sagte: «Vater, du bist ausgesprochen unfreundlich und unfair zu Mr. Roberts.»
«Ich?» Opa sah sie fassungslos an.
«Deine Manieren sind schändlich», sagte Paps, der noch immer unter dem suaviter in modo litt.
Opa war ehrlich entsetzt. Wenn er auf etwas stolz war, dann auf seine altväterliche Höflichkeit. Er wandte sich an Mr. Roberts: «Mein lieber Mr. Robertson. Bitte verzeihen Sie, wenn ich irgend etwas gesagt haben
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