Morgenstadt - wie wir morgen leben
Siedlung ohne Anschluss an die öffentliche Kanalisation, inzwischen unter realen Bedingungen demonstriert. Gemeinsam mit industriellen Partnern haben die Forscher dort eine kompakte Membrankläranlage für rund 100 Einwohner installiert, die im ehemaligen Spritzenhaus der Feuerwehr Platz fand und vom Abwasserzweckverband Heidelberg betrieben wird. Im Dezember 2005 nahm sie offiziell den Betrieb auf, seither arbeitet sie zur allseitigen Zufriedenheit. „Man könnte Kläranlagen modular in Containern bauen, von denen man so viele wie nötig kombiniert. Verbunden werden sie dann mit dem Pumpen- und Steuerungssystem“, sagt Ursula Schließmann. „Wird die Stadt größer, fügt man noch ein Modul an, wird sie kleiner, nimmt man eines weg und verkauft es an andere Städte. So bleibt man flexibel.“
Wie ein weiteres Betreibermodell für kleine, dezentrale Kläranlagen aussehen könnte – als Lösung für Einzelhaushalte in abgelegenen, ländlichen Gebieten –, wird im Rahmen des Pilotprojekts AKWA Dahler Feld in einem Wohngebiet außerhalb der Stadt Selm in Nordrhein-Westfalen erprobt. 47 Die Ansiedlung besteht aus 26 Ein- und Mehrfamilienhäusern in lockerer Bebauung mit knapp 110 Einwohnern. Das Gebiet war vorher nicht an eine zentrale Abwasserentsorgung angeschlossen, weil dies zu teuer gewesen wäre. Die Trinkwasserversorgung erfolgt nach wie vor durch Hausbrunnen, die von den Eigentümern betrieben werden. Zur Abwasserentsorgung verfügten die Wohneinheiten vorher über Klärgruben, die in der Mehrzahl nicht mehr dem heutigen technischen Stand entsprachen.
Ein interdisziplinär zusammengesetztes Team aus Forschung, Wasserwirtschaftsverbänden, Wirtschaft und Kommunen unter Leitung des ISI einigte sich nach diversen Vorstudien auf eine dezentrale Lösung: Die Wasserentsorgung der Häuser sollte künftig über hauseigene Kleinkläranlagen mit Membran-Bioreaktor-Technik erfolgen. Der Lippeverband ersetzte anschließend 21 sanierungsbedürftige Altanlagen durch moderne Geräte und betreibt und wartet diese gegen eine Gebühr zunächst bis zum Jahr 2018.Danach gehen sie in das Eigentum der Nutzer über, und diese können entscheiden, ob sie sie dann selbst betreiben oder weiter dem Lippeverband den Auftrag überlassen wollen.
„Derartige Kleinkläranlagen mit Membrantechnik haben zwar eine hohe Reinigungsleistung“, sagt Hiessl, der das Projekt von Seiten des ISI geleitet hat, „aber es ist wichtig, dass sie fachgerecht betrieben und regelmäßig gewartet werden. Dazu sind Fachleute nötig.“ Der regionale Wasserdienstleister Lippeverband hat das Know-how, das erklärt auch, warum bisher alle zufrieden sind: „Bei einer ganzen Flotte von Kläranlagen spart man außerdem Geld“, so Hiessl. „Man kann günstiger einkaufen, muss nicht so viele Ersatzteile vorhalten und kann die Wartung zentralisieren.“ Im Dahler Feld werden die Anlagen sogar per Fernüberwachung kontrolliert, Störmeldungen laufen zentral in der Kläranlage Selm ein. Eine Befragung der teilnehmenden Nutzer ergab, dass diese mit dem „Rundum-Sorglos-Paket“ sehr zufrieden sind. 48 Zurzeit begleitet das ISI ein ähnliches Projekt in Wangen und Kißlegg im Allgäu. Dort haben sich schon 22 Teilnehmer gemeldet, die mitmachen wollen, „aber wir hoffen, dass es noch mehr werden“, sagt ISI-Forscherin Dr. Jutta Niederste-Hollenberg, die das Projekt betreut. 49
ABWASSER ALS WERTSTOFF
Heutige Kläranlagen arbeiten nach dem Prinzip, dass die im Abwasser enthaltenen organischen Stoffe mithilfe von Bakterien entfernt beziehungsweise letztlich in Kohlendioxid und Stickstoff umgesetzt werden. Da die Bakterien Sauerstoff für ihre Arbeit benötigen, spricht man von einem aeroben Prozess. Dieses Belebtschlammverfahren erfordert eine Menge Energie. Warum, so fragten sich deshalb Experten des IGB, kann man nicht Abwasser als Wertstoff ansehen und seine Inhaltsstoffe herausfiltern und nutzen, anstatt sie in die Luft zu pusten? „Jahr für Jahr werden weltweit zwischen 3 und 5 Prozent des gesamten Erdgasverbrauchs und 1 bis 2 Prozent der Energie dafür aufgewendet, um aus Luftstickstoff und Wasserstoff mit dem Haber-Bosch-Verfahren Ammoniak für die Düngerherstellung zu erzeugen“ 50 , gibt Ursula Schließmann zubedenken. „Und auf der anderen Seite wendet man in den Kläranlagen wieder enorme Energie auf, um Nitrat und Ammoniak aus dem Abwasser zu entfernen. Das ist für die Gesellschaft doch unwirtschaftlich.“ Besser wäre es, die Phosphor- und
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