Morgenstadt - wie wir morgen leben
fürchteten Lärm und hygienische Probleme. Inzwischen jedoch sind die Vakuumtoiletten so weit entwickelt, dass sie sich äußerlich kaum mehr von herkömmlichenModellen unterscheiden. Das Spülgeräusch ist kaum lauter, aber dafür wesentlich kürzer. Die Vakuumtoiletten haben Porzellanschüsseln, lassen sich mit den gleichen Hilfsmitteln wie andere Toilettenschüsseln reinigen, und zusätzlich vermeiden sie Geruchsprobleme. Dies hat mittlerweile viele potenzielle Nutzer überzeugt.
Pro Haus gibt es einen Übergabeschacht. Er hat die Aufgabe, das Abwasser aus Badewanne, Dusche sowie Wasch- und Spülmaschine aufzunehmen und an die Vakuumkanalisation zu übergeben. Diese Übergabeschächte sind an der Grundstücksgrenze oder im Keller der Wohnhäuser installiert.
Die Vakuumtechnik in Verbindung mit der Kläranlage ermöglicht es auch, dass man Küchenabfälle, nachdem man sie in einer kleinen Anlage unter der Spüle zerkleinert hat, einfach in die Abwasserleitung entsorgen kann. Für die Anwohner hat das den Vorteil, dass es keine Biotonnen gibt, die im Sommer schlecht riechen oder Ungeziefer anziehen. Außerdem steigern die organischen Küchenabfälle die Biogasausbeute der Abwasserreinigungsanlage erheblich.
Das Abwasser gelangt in das Betriebshaus, wird dort zunächst gesammelt, durchmischt und dann verarbeitet. Aus dem Speicherbehälter fließt es in einen großen Tank, in dem sich die Feststoffe allmählich unten absetzen. Sie werden dann in einen Faulreaktor gepumpt, dort ständig durchmischt und auf einer Temperatur von 37 Grad gehalten. Hier werden die organischen Bestandteile nach einem am IGB entwickelten Verfahren zu Biogas umgewandelt. Bis zu 5000 Liter Biogas entstehen so pro Tag. Der ausgefaulte Schlamm wandert in einen eigenen Speicher und wird regelmäßig entsorgt. Das restliche Abwasser fließt in einen unbeheizten Bioreaktor, der bis zu 3000 Liter Biogas pro Tag erzeugt. Die Verfahrenstechnik ist so ausgelegt, dass am Ende nur ein geringer Rest an Feststoffen übrig bleibt, der alle paar Monate abgeholt wird. Der gesamte Prozess wird ständig elektronisch überwacht; Marius Mohr sowie die Mitarbeiter der Gemeinde Knittlingen können an ihren Arbeitsplätzen die Daten jederzeit auslesen. 52
Der Clou der Anlage ist, dass sie so gut wie alle Teile des Abwassers wieder in nutzbare Produkte verwandelt: Im Bioreaktor entsteht Biogas, das die Anlage mit Wärme versorgt. Die Nährstoffe Stickstoff und Phosphor bleiben im Abwasser, das unmittelbar zum Düngen in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann. „Wir gewinnen also aus den Fäkalien und Abfällen der Haushalte wertvolle Dinge wie Energie und Mineralsalze und führen das Wasser in einem Kreislauf als Düngemittel zurück auf die Felder“, resümiert Mohr.
Damit das Knittlinger Abwasser keimfrei wird, setzen die Forscher am IGB entwickelte Keramikfilter ein. Sie bestehen aus sehr schnell rotierenden Scheiben aus Aluminiumoxid, die mit einer dünnen keramischen Membran bedeckt sind. Das Abwasser läuft senkrecht zu diesen Filterscheiben, wobei das Wasser durch die Membran hindurchgepresst wird; Feststoffe setzen sich auf der Membran ab. Die Zentrifugalkraft treibt sie nach außen, wo sie regelmäßig abgespült werden, während das gereinigte Wasser innen in der hohlen Achse der Filteranlage abläuft.
HOHE AKZEPTANZ DER NUTZER
Fünf Jahre lang haben alle Beteiligten diese innovative Anlage gebaut, erforscht und erprobt. Das Ergebnis ist rundum positiv: Die Anwohner sind zufrieden, die Forscher haben zahlreiche praktische Erfahrungen machen können und wissen nun, welche Fehler man vermeiden muss und wo noch Optimierungsbedarf besteht, und die Gemeinde Knittlingen kann den Betrieb nach der Forschungsphase nahtlos weiterführen.
Und auch Walter Trösch bleibt weiter dabei: „Es ist schließlich mein Kind“, sagt er und engagiert sich auch nach dem offiziellen Ende des Forschungsprojekts 2010 dafür, obwohl er mittlerweile eigentlich schon im Ruhestand ist. Für ihn ist Knittlingen ein Vorzeigeprojekt, das exemplarisch demonstriert, wie man jeden Tropfen Wasser dreimal nutzen kann: erstens als Trinkwasser, zweitens als Quelle für Rohstoffe und Energie und drittens beim Versickern im Boden als Nachschub fürs Grundwasser. „Das“, so Trösch, „sollte überall geschehen, dann hätten wir eine nachhaltige Wasserwirtschaft.“
Um den Bedürfnissen der Verbraucher auf die Spur zu kommen und ihre Erfahrungen zu nutzen, haben parallel zum
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