Morgenstadt - wie wir morgen leben
„aber wo gibt es heute noch Neubaugebiete?“, fragt der Wissenschaftler. „Da die deutsche Bevölkerung weiter schrumpft, werden in Zukunft nicht mehr allzu viele davon erschlossen.“
ISI-Experte Hiessl kann sich sogar eine Stadt vorstellen, die völlig ohne Wasserleitungen zwischen den Häusern auskommt: „Das Wasser, das der Haushalt benötigt, kann im Kreislauf geführt werden. Man kann sein Trinkwasser beispielsweise aus Regenwasser oder aus der Kondensation von Luftfeuchte selbst herstellen, derartige Anlagen kann man heute schon kaufen. Das Problem ist nicht so sehr die Technologie, sondern die Umsetzung.“
NEUE VERFAHREN ZUR WASSERREINIGUNG
Lösungen für eine möglichst effiziente, kostengünstige Art, Wasser zu reinigen, erarbeitet das IGB. Denn nicht nur für die Trinkwasserversorgung benötigt man reines Wasser, sondern auch für viele Prozesse in der Industrie, vor allem zum Reinigen und Kühlen, außerdem als Ausgangspunkt für die Dampferzeugung in Kraftwerken. „Wir haben die Philosophie, den Verunreinigungen im Wasser mit Licht oder Strom – also ohne den Einsatz von Chemikalien – zu Leibe zu rücken“, sagt Siegfried Egner. „Physikalisch betrachtet bedeutet das, dass wir durch den Einsatz von Photonen oder Elektronen das Wasser in reaktive Stoffe zerlegen, die dann die Schadstoffe angreifen oder zersetzen.“ Da gibt es zum Beispiel Flammschutzmittel aus der Kleidung, die beim Waschen ins Abwasser gelangen, oder Medikamente, die Mensch oder Tier ausscheiden. Beides wird in normalen Kläranlagen nicht abgebaut. „Wenn man aber bedenkt, dass zum Beispiel das Wasser des Rheins von der Quelle bis zur Mündung mindestens zwei- bis dreimal getrunken wird, versteht man, dass es wichtig ist, derartige Stoffe zu entfernen“, sagt Egner. Bisher müssen die Wasserwerke sie mühsam bei der Trinkwasserbereitung herausfiltern.
Eine Lösung, mit der solche organischen Schadstoffe mittels UV-Licht aus dem Wasser entfernt werden, haben IGB-Forscher in Zusammenarbeit mit Industriepartnern bereits entwickelt. Im Reaktionstank der Anlage strahlt energiereiches UV-Licht in das Abwasser. Treffen die für das Auge unsichtbaren, sehr energiereichen Strahlen auf Wassermoleküle, werden aus diesen hochreaktive Hydroxylradikale abgespalten. In einer Kettenreaktion lösen sie die Bildung weiterer Radikale aus. „Treffen sie dann auf organischeSchadstoffe, zerlegen sie diese in kleinere, biologisch abbaubare Verbindungen wie kurzkettige organische Säuren“, erläutert Siegfried Egner die Wirkung der UV-Strahlung.
Um sicherzustellen, dass nur sauberes Wasser die Anlage verlässt, zieht man während der Behandlung kontinuierlich Proben aus dem Reaktionstank und prüft sie auf den Gehalt an organischem Kohlenstoff (total organic carbon, TOC). Ist der zuvor eingestellte Grenzwert erreicht, wird das gereinigte Abwasser automatisch heraus- und weiteres verunreinigtes Wasser in den Reaktionstank hineingepumpt. „100 Liter Abwasser pro Stunde kann der Prototyp auf diese Weise behandeln. Im Praxistest wurde der Farbstoff Methylenblau, mit dem eine Verschmutzung des Wassers simuliert wurde, innerhalb nur weniger Minuten vollständig entfernt. Und selbst bei hochbelastetem Abwasser aus der Papierherstellung konnten wir den TOC auf den erforderlichen Grenzwert reduzieren“, sagt Egner.
Ein anderes Verfahren, das im Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST in Braunschweig entwickelt wurde, setzt nicht auf Licht, sondern auf Elektroden, also elektrischen Strom. Elektroden, die mit polykristallinen, leitfähigen Diamantfilmen beschichtet sind, ragen ins Wasser. Durch Anlegen einer niedrigen Spannung werden auf elektrochemischem Weg aus dem Wasser hochreaktive chemische Verbindungen erzeugt, etwa Ozon, Wasserstoffperoxid und Hydroxylradikale. Sie sind in der Lage, selbst schwer abbaubare Schadstoffe zu eliminieren und Keime abzutöten. Inzwischen produziert die Itzehoer Firma Condias, eine Ausgründung aus dem Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST, derartige Diamantelektroden im industriellen Maßstab.
Wichtig ist natürlich auch die ständige Überwachung der Wasserqualität. Im Projekt AquaBioTox entwickeln Forscher an den Fraunhofer-Instituten für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB und für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB gemeinsam mit Projektpartnern eine kontinuierliche Online-Überwachung von Trinkwasserleitungen. Das Ziel ist es, einen
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