Morgenstadt - wie wir morgen leben
technischen Betrieb Forscher des ISI das gesamte Projekt soziologisch begleitet und alle Betroffenen mehrfach befragt. 53 „Als Motive, sich für die neue Technik zu entscheiden, wurden vor allem ökologische Gründe genannt“, sagt Dr. Thomas Hillenbrand. „Grundsätzlich zeigten sich die Haushalte nach anfänglicher Skepsis mit der technischen Ausstattung sehr zufrieden, auch wenn verschiedene Probleme auftraten. Vor allem versuchten viele, an der falschen Stelle Kosten zu sparen.“ Bei einigen Familien spielten die erhöhten Ausgaben zum Beispiel für eine Vakuumtoilette eine Rolle, weshalb die Beteiligung hier nicht so hoch war wie erhofft. Aber vor allem die Nutzung des gereinigten Regenwassers fand breiten Anklang. Das Sparen von Wasser spielt auch im Bewusstsein der Knittlinger Bürger eine große Rolle, und das DEUS 21-Projekt hat gezeigt, dass auch die technischen Voraussetzungen dafür machbar sind.
Walter Trösch ist überzeugt, dass das Knittlinger Modell nicht nur als Vorbild für die Wasserwirtschaft in der Morgenstadt taugt, sondern er sieht sogar großes Potenzial bei der Sanierung von Abwassersystemen in den heutigen Städten: „Das vorhandene Kanalsystem könnte man für das Regenwasser verwenden, das man anschließend versickern lässt, um es dem Grundwasser wieder zuzuführen. In die alten, groß dimensionierten Rohre könnte man aber ein Vakuumsystem einfädeln, da dessen Rohre maximal einen Durchmesser von sechs Zentimetern benötigen.“ Das wurde bisher noch nirgendwo versucht, aber nach Meinung des Forschers dürfte es auf jeden Fall billiger sein, als ein völlig neues System zu installieren.
Es geht also nicht immer nur darum, neue Erfindungen zu machen, sondern oft ist es das Wichtigste, bereits bekannte Technik intelligent einzusetzen. In den Städten der Zukunft sind so viele Probleme zu lösen. Und es gibt schon Vorreiter: „In Windhoek in Namibia wird bereits seit vielen Jahren Trinkwasser aus Abwasser hergestellt“, sagt ISI-Experte Harald Hiessl, „und auch Singapur ist auf diese Linie eingeschwenkt. Dort haben Wasserwerke damit begonnen, Teile des bisher aus Malaysia importierten Trinkwassers für die Industrie durch selbsthergestelltes aufgereinigtes Abwasser zu ersetzen. Dies ist inzwischen so beliebt, dass alle dieses ‚NEWater‘ wollen, weil es qualitativ besser ist. Singapur hat auf dem Gebiet viel Geld in die Forschung gesteckt und große Kompetenz aufgebaut.“
Das Fazit lautet: Die Morgenstadt sollte so wenig Wasser wie möglich verbrauchen, Abwasser als Ressource nutzen und Regenwasser wieder versickern lassen und so dem Grundwasser zuführen. So sinnvoll das aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht sein mag, ein Problem entsteht dadurch neu: Es ist nicht mehr genügend Wasser da, um Brände in der Stadt schnell zu löschen. „Unter diesen Umständen wird nichts anderes übrigbleiben, als die Wasserversorgung von der Löschfunktion zu trennen“, sagt ISI-Forscher Harald Hiessl.
UND PEKING?
Dass die einzig wirklich nachhaltige Lösung für die Wasserwirtschaft der Morgenstadt Kreislaufprozesse sind, haben natürlich die Verantwortlichen in Peking längst auch erkannt. Bis derartige Systeme aber implementiert sind, wird noch viel Zeit vergehen. Anjun Pan von der Pekinger Wasserbehörde betont deshalb, dass der sparsame Umgang mit Wasser zurzeit im Vordergrund stehen muss: „90 bis 100 Prozent aller Einwohner und Institutionen sollen Vorrichtungen zum Wassersparen erhalten. Industrieabwässer sollen bis zu 93 Prozent wiederaufbereitet werden, der Gesamtverbrauch darf in diesem Sektor nicht mehr steigen.“ 54 Und er setzt der Stadt das Ziel, 0,6 Milliarden Kubikmeter gereinigtes Abwasser pro Jahr wiederzuverwenden.
Die Forscher des Beijing-Water-Projekts haben ihren chinesischen Kollegen nicht nur das für Prognosen einsetzbare Simulationsmodell hinterlassen, sondern sie haben auch neue Vorschläge entwickelt, wie die Stadt ihre Wasserknappheit mildern kann, beispielsweise das Projekt Beijing Storm Water: „Das Straßennetz in Peking ist aufgebaut wie ein Rad mit vielen Speichen. Diese verbinden die sechs Ringstraßen miteinander und laufen in großen Unterführungen unter ihnen hindurch“, sagt Hartwig Steusloff. „Jedes Mal, wenn es stark regnet – und das passiert in letzter Zeit immer öfter –, laufen die Unterführungen voll, und der Verkehr bricht zusammen.“ Der Forscher schlägt deshalb vor, an diesen kritischen Punkten das Wasser zu
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