Morgenstadt - wie wir morgen leben
„retten“ und es sinnvoll zu nutzen. „Dazu bräuchte man einerseits eine kurzfristige, zuverlässige Niederschlagsvorhersage, damit man die Unterführungen kurz vorher sperren kann, und andererseits Vorrichtungen, die das Wasser abpumpen oder ableiten.“ Ein entsprechender Projektvorschlag, um Methoden dafür zu erforschen, wurde bereits beim deutschen Forschungsministerium und bei den Pekinger Behörden eingereicht.
Einen positiven Effekt hatte das Projekt schon im vergangenen Jahr: Mit dem Nanjing Hydraulic Research Institute wurde gemeinsam mit Fraunhofer-Forschern aus Ilmenau ein fast 300 Kilometer langer Flussabschnitt des Beijiang River in Südchina untersucht, um die Energieerzeugung in den Wasserkraftwerken unter Einhaltung des Hochwasserschutzes zu optimieren. Dies zeigt, wie eng alles mit allem verwoben ist: So hängt die Wasserwirtschaft aufs engste mit der Energieerzeugung zusammen.
KAPITEL 3
BAUEN UND WOHNEN
Das Sick-Building-Syndrom hat kein klar definiertes medizinisches Krankheitsbild, aber viele Büromenschen leiden darunter. Sie haben das Gefühl, dass ihre Arbeitsumgebung sie krank macht, weil es dort zu trocken oder zu feucht, zu warm oder zu kalt oder irgendwie zugig ist. Die Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft in München ist so gebaut, dass sich alle Mitarbeiter wohl fühlen sollen. Es ist nicht nur ein vorbildliches Gebäude, was die Energieversorgung, Wärmedämmung und Klimatisierung betrifft. Es ermöglicht auch an jedem Arbeitsplatz den direkten Zugang zu Licht und Frischluft von außen, der sich individuell regeln lässt. Dass man als Präsident trotzdem manchmal im Büro leidet, liegt eher daran, dass sich die Arbeitsberge häufen, weil man so selten da ist.
Abu Dhabi im Juli: Es ist unerträglich heiß, die Luftfeuchtigkeit in der Stadt liegt um die 80 Prozent. Wer es vermeiden kann, geht nicht nach draußen. Alle Klimaanlagen in Gebäuden und Autos arbeiten auf Hochtouren, angetrieben vom billigen Strom und noch billigeren Öl, das in der Region reichlich vorhanden ist. In Masdar City soll das jedoch anders werden. Der Stadtteil, der östlich des Zentrums, zwischen Flughafen, dem Al Gazhal Golfclub und dem Al Dana Ladies Beach entsteht, könnte zum Vorbild für die Welt werden: Hier sollen nur erneuerbare Energien zum Einsatz kommen, der Energieverbrauch soll gedrosselt, Produktion und Mobilität nachhaltig werden. Ziel ist es, Forschung und universitärer Bildung hier eine Heimat zu geben.
Die Architekten und Bauingenieure stehen in Masdar vor der entgegengesetzten Aufgabe wie in unseren Breiten, wo man eher heizen muss: Um Energie für die Kühlung zu sparen, müssen die Gebäudehüllen die Hitze draußen halten, das heißt, gegen Wärme dämmen. Abu Dhabi will wie alle modernen Städte Glasfassaden für seine teils spektakulären Bauten, aber das hat den Nachteil, dass Glas das Sonnenlicht durchlässt, das die Innenräume zusätzlich erwärmt. In einem Land, in dem die Sonne wenigstens vier Monate lang extrem intensiv vom Himmel brennt, muss man sich da zum Energiesparen etwas einfallen lassen.
Dies ist nur eine Facette der Probleme, die in den Gebäuden der Morgenstadt gelöst werden müssen. Die Fragestellung heißt: Wie können sich die Menschen in ihrer Stadt wohl fühlen und behaglich wohnen, dabei aber so wenig Energie wie möglich verbrauchen und mit den vorhandenen Ressourcen nachhaltig umgehen? Die Antworten reichen vom Energiesparen und der Nutzung aller Energiequellen über neuartige Baumaterialien und -systeme, intelligente Häuser bis hin zum Wärmetransport in Containern. Egal, welche klimatischen Bedingungen herrschen, die Gebäude der Stadt von morgen sollten optimal an die Gegebenheiten angepasst sein.
So müssen Ingenieure beispielsweise neuartige Fassaden für die Musterstadt Masdar entwickeln und testen, die zwar Licht einlassen, aber die Hitze draußen halten, Architekten müssen sich neue Bauformen einfallen lassen, etwa Büros mit geringer Raumtiefe rund um sonnengeschützte Innenhöfe. Die beiden Fraunhofer-Institute für Bauphysik IBP und für Solare Energiesysteme ISE werden sich auf diesem Gebiet in Masdar City engagieren: „Wir werden ein Fassaden-Testzentrum konzipieren, betreiben und überwachen“, sagen ISE-Forscher Arnulf Dinkel und IBP-Forscher Dr. Gunnar Grün. „Dort lässt sich der Einfluss der Fassadengestaltung auf das Wohnklima ermitteln. Die so gewonnenen Messwerte werden dann in elektronische Gebäudesimulationen
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