Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)
durch Blumen laufe, bis ich schließlich gegen etwas stoße.
»Eine Bank«, rufe ich aus und taste sie ab, bis ich mich auf ihr niederlasse und mich an sie kralle wie an einen Rettungsanker. Ich muss in Gaias Garten sein und wenn ich ruhig hier sitzen bleibe, wird sie mich bestimmt finden. Zitternd ziehe ich meine Beine an und schlinge die Arme um sie. Wieso bin ich bloß durch diese Tür getreten?
»Was ist an Nebel so faszinierend?«, schimpfe ich mich selbst. Jetzt, wo ich mittendrin sitze, jedenfalls nichts mehr.
Da richtet ein Geräusch am Boden meine Aufmerksamkeit nach unten. Ich wedele etwas Nebel weg und – da fließt etwas über den Boden! Kreischend springe ich auf und fühle, wie die Bank unter meinen Füßen immer heißer wird. Sie beginnt vor Hitze zu glühen und meine Haut zu schmerzen.
»Nein«, rufe ich erneut. »Was ist hier los?«
Die Masse, die sich über den Boden bewegt, glüht und zischt.
»Lava?« Mein Herz schlägt mir fast zum Hals heraus. »Lava!« Kaum habe ich geschrien, zieht sich mir die Lunge zusammen. Der beißende Geruch und der Rauch, der sich mit dem Nebel verwoben hat, werden immer stärker und nehmen mir die Luft zum atmen. Wimmernd lasse ich mich auf der Lehne der Bank nieder und versuche meine Füße höher zu halten. Meine Haut ist an ihnen schon leicht verbrannt. Ich muss zu sehr husten, um nach Hilfe rufen zu können. Panisch versuche ich mir über meine brennenden Augen zu wischen, doch ich habe das Gefühl, als würde der Nebel sie und mich so langsam vergiften und verätzen. Mir tut mittlerweile alles weh. Ich fühle mich, als würde ich von innen und außen gleichzeitig verbrennen.
Plötzlich höre ich ein Knistern und Zischen. Es wird immer lauter und scheint auf mich zuzukommen. Das Geräusch von eiligen Schritten mischt sich darunter.
»Hallo?«, bringe ich leise, hustend hervor. »Hilfe!« Ich fürchte, dass diese Person mich nicht gehört hat. Meine Stimme ist kaum mehr als ein kratziges Wispern und kommt kaum gegen die Zischgeräusche an. Ich spüre, wie die Bank unter mir auf einmal eiskalt wird. Sehen kann ich wegen des Nebels, der Dunkelheit und meinen zugeschwollenen Augen kaum etwas.
»Maya!«
Ich versuche blinzelnd zu erkennen, wer da auf mich zukommt, doch es ist zu dunkel und meine Augen brennen zu sehr. Was immer die Bank abgekühlt hat, es scheint dafür zu sorgen, dass nun auch noch Dampf von unten nach oben aufsteigt und mir damit das letzte bisschen Sicht nimmt.
»Maya, was tust du hier draußen?« Es ist ein Mann und er kommt näher. Er flucht und schließlich wird mir klar, dass es nur einer sein kann.
»Nevis!«, keuche ich und versuche mich aufzustellen, sinke aber wieder zusammen.
»Hat man dir nicht gesagt, dass es hier draußen für dich zu gefährlich ist?«, fährt er mich mit eiskalter Stimme an. Sein Gesicht kommt ganz nah an meines und ich kann schwach erkennen, dass er seine Kristallaugen wie Dolche durch mich hindurch fahren lässt.
»Die Tür ging plötzlich auf«, beginne ich zu erzählen, muss aber wieder husten. Nevis schüttelt den Kopf, hebt mich in seine Arme und trägt mich über einen, wie es klingt, eisigen Pfad durch die Lava. Das war das Zischen, was ich gehört hatte. Das Eis, das die Lava zum Einfrieren gebracht hat. Nevis Schritte hinterlassen das krachende Geräusch von einem frostigen Untergrund. Ich kralle mich an ihm fest und halte die Augen geschlossen. Sie brennen so sehr, dass es mich fast verrückt macht. Ich lehne sie gegen Nevis‘ kühle Schulter und schon spüre ich eine Art Linderung. Immer näher gehe ich mit meiner Stirn in seinen Nacken und genieße das erlösende Gefühl.
Plötzlich sinkt Nevis mit mir auf die Knie und ich reiße meine noch wunden Augen auf. Wir sind auf einer Art Veranda und der Winter legt mich keuchend ab, während er selbst auf dem Holz des Bodens zusammensinkt. Die Hitze scheint ihm sehr zuzusetzen. Ich höre das Eis unseres Pfades draußen brechen. Erstaunt sehe ich mich um. Als ich rausgegangen bin, war hier noch keine Veranda.
»Bist du verletzt?«, will Nevis wissen und setzt sich wieder auf.
»Meine Fußsohlen sind verbrannt«, sage ich und muss erneut husten, während der Winter sich neben mich kniet. »Und meine Augen brennen noch ein wenig.«
Mit eiskalten Fingern nimmt er meinen rechten Fuß in seine Hände und legt eine Handfläche flach auf die verbrannte Haut. Augenblicklich geht es mir besser. Die Kälte kühlt meine geschundene Haut und mir wird
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