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Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Titel: Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Wolf
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Gesicht. Mit einem Satz landet es bei einer Fernbedienung und schaltet die Musik aus.
    »Die neue Auserwählte«, sagt Nutty mit einer erstaunlich tiefen Stimme. Es ist das erste Mal, dass ich ein Tier sprechen hören. Irgendwie habe ich mir ein Eichhörnchen piepsig vorgestellt, doch Nutty klingt wie ein erwachsener Mann. Er springt auf die Lehne des Sofas und hält mir seine kleine Pfote hin. »Ich bin Nutty«, sagt er und ich überlege fieberhaft, wie ich ihm die Hand schütteln soll.
    »Hallo Nutty, ich heiße Maya«, sage ich schließlich und nehme seine Hand zwischen Daumen und Zeigefinger. »Aviv hat mir schon ein wenig von dir erzählt.«
    Nutty sieht über meine Schulter hinweg zum Frühling und zieht dabei ein ulkiges Gesicht, das mich zum Lachen bringt.
    »Was hat er erzählt?«, will Nutty wissen. »Und vorab: Ich war betrunken von vergorenen Früchten, okay? Es war nie meine Absicht …«
    »DAS habe ich ihr nicht erzählt, Nutty«, unterbricht Aviv seinen Tiergeist.
    »Oh … okay.« Nutty kratzt sich am Kopf und ich muss wieder lachen, weil er einfach zu süß dabei aussieht.
    Die ersten Tage bei Aviv verbringe ich damit, durch die Frühlingslandschaft zu wandern. Meistens begleitet er mich und erklärt mir die verschiedenen Blumen, die unseren Weg säumen. Die meisten davon kenne ich selbst, aber Aviv scheint sie alle irgendwie persönlich zu kennen. Zu jeder Blüte kann er mir sagen, wie viel Wasser und Sonne sie benötigt. Vielleicht ist deswegen auch jede einzelne perfekt? Wenn ich alleine losziehe, dann nehme ich mir ein Buch aus Avivs Bibliothek mit und setze mich irgendwohin, wo mich die sanfte Frühlingssonne streicheln kann. Hinter dem Haus gibt es einen kleinen Wiesenpfad, der vorbei an rot und gelb blühenden Büschen führt. Ich liebe diesen Weg, weil die Bäume drumherum mit Hilfe der Sonne und ihres Blattwerks ein wunderschönes Muster auf die Wiese zaubern. Wenn man dem Pfad folgt, führt er einen zu einer kleinen Bank auf einem saftig grünen Hügel. Von hier aus kann man einen kleinen See mit Schwänen und Enten überblicken. Hier setze ich mich gerne hin und denke nach. Meistens über das Bild in Avivs Wohnzimmer und darüber, wie gut er seine Brüder getroffen hat.
    Am vierten Tag sitze ich wieder auf der Bank und Nutty leistet mir Gesellschaft. Ich musste einen Korb voll Nüsse für ihn mitnehmen, die er nun fleißig mit seinen Zähnen bearbeitet.
    »Ich habe noch nie ein so verfressenes Tier wie dich gesehen, Nutty«, sage ich glucksend und lasse meinen Blick kurz über den Teich wandern, bevor ich ihn ansehe.
    »Danke«, sagt Nutty und grinst. Doch plötzlich wird er ernst. »Wann sagst du es ihm?«
    »Was?«, frage ich verwirrt.
    »Na, dass er keine Chance hat.« Er zwinkert mir schelmisch zu. »Der gute alte Nutty ist kein Esel. Du starrst ständig das Bild im Wohnzimmer an. Denkst du an Sol?«
    »Nein«, sage ich erschrocken. »Nein und nein. Ich starre das Bild nicht ständig an und ich denke an niemanden!« Das glaube ich mir nicht mal selbst. »Ehrlich, ich versuche offen für jeden zu sein.«
    Nutty sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und stopft sich ein Stück Nuss in den Mund. Er kaut darauf herum ohne den Blick von mir zu lösen. Nachdem er geschluckt hat, grinst er wieder. »Ist klar.«
    »Du glaubst mir nicht?!«
    »Nicht die Bohne, Maya.« Nutty legt den Kopf schief. »Ich liebe Aviv wie einen Bruder und ich habe auch dich unendlich gern. Leider wird es auch mir schwerfallen, dich gehen zu lassen, aber ich sehe doch, dass dein Herz sich nach anderer Gesellschaft sehnt.«
    »Hey, du bist eine klasse Gesellschaft!«, rüge ich ihn.
    »Ja, ich«, seufzt Nutty und sieht mich schmunzelnd an. »Aber Aviv kann ein ganz schöner Langweiler sein.« Wir lachen zusammen. »Spaß beiseite, man sieht dir wirklich an, dass du keinerlei amouröses Interesse an dem Langweiler hast.«
    »Aber … aber das könnte ja noch werden?!«
    »Merkst du eigentlich nicht, wie Aviv seit Tagen um dich herumschleicht und Körperkontakt zu dir sucht?«
    Dieses Mal reiße ich die Augenbrauen hoch. »Nein?!«
    »Ja, und du weichst immer zurück.«
    »Aber nicht absichtlich.« Ich bin vollkommen perplex. »Wirklich, ich habe davon nichts mitbekommen.« Wieder einmal verfluche ich, ohne Männer groß geworden zu sein. Das Spiel der Geschlechter beherrsche ich wirklich überhaupt nicht.
    »Swischen eusch schtimmt die Schemie nüscht«, sagt Nutty mit vollem Mund. Ein paar Krümel fallen auf

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