Morituri - Die Todgeweihten
wandte sich wieder um. Kyes hatte sich nicht bewegt.
»Es ist gewiss unbefriedigend«, fing der Imperator noch einmal an, »im Vergleich zu dem, was –« Er hielt inne.
Der Grb’chev reagierte in keiner Weise auf seine Worte. Der Imperator bewegte sich aus Kyes’ Blickrichtung. Weder Kyes’ Augen noch sein Kopf folgten ihm. Der Imperator ging auf ihn zu und wedelte ihm mit der Hand vor den Augen. Keine Reaktion.
Vielleicht war es der Schock gewesen, dass es für Kyes und seine Spezies keinen Heiligen Gral geben würde. Vielleicht war es auch weniger dramatisch er war ohnehin weit über seine Zeit.
Kyes’ Mund klappte auf. Verdauungssäfte tropften heraus.
Der Imperator überprüfte rasch die Lebensfunktions-Anzeigen. Alle körperlichen Funktionen … normal.
Er schloss das Visier an seinem Anzug und eilte auf den Ausgang zu, drehte sich dann jedoch noch einmal um.
Der Idiot, der einmal Kyes gewesen war, stand noch immer unverändert auf demselben Fleck; das Gewicht seines Anzugs hielt ihn aufrecht.
»Armer, bemitleidenswerter Wicht«, sagte der Imperator noch einmal.
Es war der beste Nachruf, der ihm einfiel – und der einzige, für den ihm Zeit blieb.
Kapitel 26
Der verdutzte Ausdruck in den Gesichtern der Gelehrten von Newton erinnerte an den Vergleich, den einmal ein Student von einer Agrowelt angestellt hatte, als er eine Kuh beschrieb, der gerade die Faust des künstlichen Besamers in den Hintern gerammt wurde. Als die Eröffnung des Tribunals immer näher rückte, sah Sten, wie sich der verdutzte Ausdruck in offene, lächelnde Überraschung verwandelte. Kilgour meinte, es hätte den Anschein, als sei anstelle der Faust das richtige Ding zur Anwendung gekommen.
Noch niemals in der staubigen akademischen Geschichte war den Tausenden von Professoren, die sich an der Universität abplagten, soviel Aufmerksamkeit zuteil geworden.
Als die ersten Nachrichten des bevorstehenden Ereignisses durchsickerten, waren Livie-Teams aus dem gesamten Imperium nach Newton geeilt, um den erwarteten Niedergang des Privatkabinetts zu dokumentieren. Newtons Verwaltung wurde von Akkreditierungsanfragen beinahe überschwemmt, und das nicht nur von Nachrichtenteams, sondern auch von Politikexperten, Rechtswissenschaftlern, Historikern und vielen vielen einfach nur Neugierigen.
Sten, Alex und Mahoney mühten sich wie die Wahnsinnigen ab, ein Sicherheitssystem auszuklügeln, mit dem sie die Millionen von Anfragen durchforsten konnten. Die Aufgabe war deshalb besonders schwierig, weil die ganze Idee gerade darauf basierte, dem Tribunal eine möglichst große Öffentlichkeit zu verschaffen. Schließlich bekamen sie doch noch alles plus hundert weitere Einzelheiten in den Griff, bevor die Sache offiziell eröffnet wurde.
Inzwischen wurden Dekan Blythe, seine Fakultät und die Millionen von Studenten, die eine der vielen Hochschulen besuchten, aus denen sich das Universitätssystem zusammensetzte, von Interviewern belagert. Keine noch so langweilige Tatsache, keine noch so dröge Reaktion und kein noch so ausgelutschtes Bild war den ausgehungerten Medien zu unwichtig. Jeder Einwohner von Newton durfte für einen kurzen Moment zum Livie-Star werden.
Der Informationshunger nahm besondere Dimensionen an, weil trotz der Bekanntmachungen Sr. Ecus hinsichtlich der allgemeinen Zielrichtung des Tribunals – nämlich dass man über das Privatkabinett zu Gericht sitzen wolle – außer den Richtern bislang noch niemand die genauen Anklagepunkte kannte. Alle gingen davon aus, dass die Anklageschrift sich vor allem um das AM 2 drehte. Mit anderen Worten: gemeinschaftlich begangene Unterschlagung. Sr. Ecu konnte sich die Überraschung nur schwer ausmalen, wenn die wirkliche Anklage verlesen würde: Verschwörung zum Mord.
Sr. Ecu hatte Newton wegen seiner langen juristischen Tradition und seines über alle Verdächtigungen erhabenen Rufes ausgewählt. Trotzdem hatte er mit enormen Schwierigkeiten gerechnet, Dekan Blythe dazu zu bewegen, als Gastgeber des Tribunals aufzutreten. Statt dessen war man nach der Absprache der Sicherheitsbestimmungen sehr schnell zu einer Übereinkunft gekommen. Dazu trug bei, dass Blythe, bevor er sich der Wissenschaft zuwandte, General im Dienste des Imperiums gewesen war. Als weit wichtiger jedoch erwies sich die Tatsache, dass Newton einer der ersten Orte war, dem das Privatkabinett die Zuschüsse drastisch gekürzt hatte. Auf die ersten Kürzungen waren eine wahre Flut weiterer
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