Morituri - Die Todgeweihten
gerichtet, und nur ihm war – nach Rücksprache mit den drei Richtern – erlaubt zu antworten. Man kam auch darin überein, dass Sr. Ecu für die Sammlung der Beweisstücke und die Vorführung der Zeugen verantwortlich war. Die drei stimmten ab und betrauten ihn mit der Autorität, Gerichtsdiener zu vereidigen, um diese Aufgaben zu bewältigen.
Nach dieser Sitzung rannte Sr. Ecu überall herum, setzte hier einen Punkt und rückte dort etwas gerade und klärte die allerletzten Details.
Als Sten in Sr. Ecus Gartendomizil bestellt wurde, fiel ihm zum ersten Mal auf, wie müde der alte Diplomat wirkte. Seine Fühler zuckten vor nervöser Erschöpfung; seine Färbung sah fahl und verwaschen aus. Aber Sten hatte keine Zeit, ihm sein Mitgefühl auszudrücken oder andere Kommentare abzugeben. Sr. Ecu forderte ihn sofort auf, die rechte Hand zu heben.
Sten tat, wozu er aufgefordert wurde.
»Schwören Sie, die Integrität dieses Verfahrens zu ehren, ebenso wie die uralten Gesetze des Imperiums, nach deren Unverbrüchlichkeit wir handeln?«
Sten schwor.
»Dann ernenne ich Sie Kraft der mir verliehenen Autorität zum Ersten Diener dieses Tribunals«, intonierte Sr. Ecu.
Obwohl er genau wusste, was da auf ihn zukam, fühlte sich Sten von Sr. Ecus Rede ein wenig eingeschüchtert. Es war auch nur wenig tröstlich, dass der alte Diplomat jedes Wort, das er sagte, mit all seinem Ernst meinte. Diese Tribunal war keine Farce.
Als er den Garten verließ, warteten draußen bereits Alex und Mahoney darauf, eingelassen zu werden. Einige Minuten später kamen sie wieder heraus, ebenso betreten und still wie Sten.
Schweigend machten sich die drei auf den Weg zu ihren Quartieren. Plötzlich löste sich eine kleine Gruppe aus der Wachmannschaft, die draußen postiert war. Sten staunte nicht schlecht, als sie sich rings um ihn aufbauten.
Eine der Wachen war Cind. Ihre Augen glänzten vor Aufregung, als sie ihre Abteilung in Aufstellung brachte. Dann baute sie sich vor Sten auf und salutierte knapp.
»Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit? Sir!«
»Wovon reden Sie da überhaupt, gute Frau?« fragte Sten mit kratzender Stimme.
»Das hier ist Ihre Leibwache, Sir«, erwiderte Cind, die ihr Grinsen kaum unterdrücken konnte. »Sollte es irgendwelche Beschwerden geben, wenden Sie sich bitte an mich – den Commander Ihrer Leibwache!«
Sten stammelte, dass er das nicht wolle. Er brauche keine Leibwache, und außerdem …
»Anweisung von Sr. Ecu, Sir!« kam Cinds Antwort.
Bevor Sten weiterstreiten konnte, brachen seine beiden Freunde in lautes Gelächter aus.
»Du tust besser, was man dir sagt, junger Freund«, riet ihm Mahoney.
»Genau, alter Knabe«, fügte Kilgour hinzu. »Du bist jetzt’n berühmter und vornehmer Mann. Man kann doch das Leben des Ersten Gedichtwieners nich’ unnötig aufs Spiel setzen, das musst du doch verstehn!«
Eine sehr glückliche Cind eskortierte Sten zu seiner Suite zurück. Sten verspürte Mordgedanken; und seine beiden Opfer schnarchten nicht weit von ihm entfernt.
Die Eröffnung des Tribunals wurde den halben Morgen über verschoben, da Tausende von Teilnehmern in der Halle zusammenströmten. Die zugewiesenen Plätze füllten sich rasch, und die Innentemperatur stieg bis hart an die Grenze dessen, was die Klimaanlage bewältigen konnte. Draußen kämpften Tausende Neugierige darum, zumindest bis auf Sicht- oder Hörweite der Vid-Schirme und der großen Lautsprecher heranzukommen, mit deren Hilfe man den Fortgang des Geschehens verfolgen konnte.
Dann senkte sich tiefes Schweigen über die Szene, während alle versuchten, mit gereckten Hälsen einen Blick auf das noch immer leere Podium zu erhaschen. Es war nicht nur die drohende Amtsgewalt, die für diese Ruhe sorgte, oder die Vorahnung eines einzigartigen Ereignisses in der Geschichte des Imperiums.
Über dem Podium hing ein überlebensgroßes Porträt des Ewigen Imperators. Es war leicht romantisch verklärt und ziemlich heroisch überzeichnet, vom Stil und der Machart her wie die Bilder, die Tanz Sullamora immer bevorzugt hatte. Bis auf die Augen. Sten erschauerte, als er sie ansah. Sie bohrten sich tief in einen hinein und spießten die Seele eines jeden Betrachters auf.
Sten kannte diesen Blick. »Na, du armseliges kleines Wesen«, schienen sie zu fragen. »Was hast du zu deinen Gunsten vorzubringen?«
Die eisige Ausstrahlung dieses gemalten Glanzes verflog erst, als Sr. Ecu sich mit einer grazilen Schwanzbewegung auf die Bühne
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