Morituri - Die Todgeweihten
Unhold seinen Schädel von der Fleischtafel hob und seine blutunterlaufenen Augen auf Sten richtete. Die gewaltigen Augenbrauen krochen wie zwei Käfer zu einem mörderischen Stirnrunzeln zusammen. Das Geschöpf wischte sich den blutigen Saft von den Lippen und aus dem langen, pinselartigen Bart, und zog bei einem offensichtlich unseligen Gedanken eine schreckliche Grimasse, die seine dicken, gelben Zähne entblößte.
Der Unhold erhob sich, wobei sein Waffenrock unter dem Gewicht der Unzahl von Waffen schepperte und rasselte. Er kam drei Schritt nach vorne, wobei seine knotigen, behaarten Pfoten beinahe über den Boden schleiften. Er mochte in den Schultern etwa einen Meter messen und 130 schreckenerregende Kilogramm auf die Waage bringen. Obwohl der ganze Kerl in der Höhe nur anderthalb Meter erreichte, war er die schiere Kraft in einem geballten Paket. Seine Muskelzellen waren mindestens so komprimiert wie die Kilgours, trotz der unterschiedlichen Gene des Schwerweltlers. Seine Wirbelsäule war gebogen, und sein massiger Leib stand auf Beinen, die an gebogene Baumstämme erinnerten.
Das Wesen richtete sich zu seiner vollen Größe auf, und hielt ein enormes Stregghorn vor sich. Sein Ruf erfüllte die große Halle wie eine gewaltige Explosion in einem tiefen Zylinder.
»Beim Barte meiner Mutter!« brüllte es Sten an. »Das ist unerträglich!«
Das Wesen watschelte bis ganz zum Tisch hin und baute sich vor Sten auf. Trunkene Tränen quollen aus den klaffenden Löchern, die die Bhor Augen nannten. Schluchzend wie ein allzu haarig geratenes Kind brach Otho an Stens Seite zusammen; sein Atem enthielt noch genug Stregg, um damit den Schutzanstrich eines Raumfrachters abzulösen.
»Ich liebe dich wie einen Bruder«, schluchzte Otho.
Dann wandte sich der Bhor-Häuptling an seine fröhlich feiernden Untertanen. Er fuchtelte mit seinem Stregghorn herum und verschüttete eine Pfütze, in der ein kleiner Mensch hätte ertrinken können.
»Wir alle lieben dich wie einen Bruder!« röhrte er. »Sagt es ihm, Brüder und Schwestern. Sind wir nicht Bhor? Verbergen wir etwa unsere ehrlichsten Gefühle?«
»Nein!« ertönte der Ruf aus mehr als hundert Kriegerkehlen.
»Schwört es, Brüder und Schwestern.« Otho rief die Worte in die Runde: »Bei den gefrorenen Arschbacken unserer Väter – wir lieben dich, Sten!«
»Bei den gefrorenen Arschbacken …« echote es dröhnend zurück. Otho warf sich Sten an den Hals und schluchzte.
Alex lief ein Schauer über den Rücken. Er beneidete seinen Freund in keiner Weise um seine Beliebtheit bei diesen Wesen.
In der großen Halle konnte man zwischen den Bhor auch einige menschliche Krieger entdecken. Von allen bewundernden Augen, die Sten beobachteten, heftete sich ein Augenpaar mit besonderem Interesse auf ihn. Ihr Name war Cind. Sie war noch sehr, sehr jung und sehr, sehr reizend. Sie strahlte genau die besondere Art von Schönheit aus, die einem durch den Unterleib direkt ins Herz fuhr. Cind gehörte zu den meistgeachteten Experten einer extrem tödlichen Kunst – der Kunst des Scharfschießens.
Ihre persönliche Waffe galt auch in den Kreisen der Schützen des Imperiums als exotisches Gerät. Sie feuerte die gängigen, von einem Mantel aus Imperium umschlossenen AM 2 -Geschosse ab, doch anstelle eines Lasers benutzte sie als Treibladung einen linearen Beschleuniger. Ein variables, automatisches Zielabtastgerät berechnete Abstand und Winkel zum Zielpunkt. Falls sich das anvisierte Ziel hinter einer Deckung verbarg, konnte das Zielgerät seitlich auf seinem Aufsatz verschoben werden. Genau genommen handelte es sich um ein Gewehr, mit dem man um die Ecke schießen konnte. Dieses Gewehr wurde auf dem freien Markt nicht mehr angeboten, nicht einmal für Verbündete des Imperiums, die aus der Imperialen Rüstkammer ausgerüstet wurden. Cind hatte ihres auf dem Schwarzmarkt besorgt und es noch weiter ihren persönlichen Bedürfnissen angepasst: sie hatte sich einen Schaft mit Daumenloch anfertigen lassen, das Gewicht des Laufs der besseren Balance und des geringeren Rückschlags wegen erhöht, einen doppelten Abzug und einen Zweifuß anbringen lassen und so weiter. Das Gewehr war ohnehin ein ziemlich schweres Gerät, doch Cinds Spezialanfertigung war noch schwerer. Trotz ihrer schlanken Gestalt konnte sie es ohne große Anstrengung viele Stunden lang durch hügeliges Terrain tragen. Soviel zu der angeblichen Unfähigkeit weiblicher Menschen, ohne Hormonimplantationen einen
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