Morituri - Die Todgeweihten
wenig Rücksicht auf die Konventionen gelegt. Die Ratgeber des Kabinetts glichen noch weniger Heiligen als der Imperator; sogar noch weniger als der in seinem Niedergang alles mit sich reißende Monarch Ludwig XV.
Nachdem Sims zu der Entscheidung gekommen war, Mahoneys Verschwörung aufzudecken, alarmierte sie den hochrangigsten ihr persönlich bekannten Geheimdienstoffizier und teilte ihm mit, wann und wo der Plan zum Attentat umgesetzt werden sollte. Mehr nicht.
Was als nächstes geschah … daran wollte sie nicht denken.
Was geschah, war folgendes: Sims wurde abgeholt und ihr Gehirn systematisch unter dem Gehirnscanner auseinander genommen. Die Befragungsspezialisten interessierte es wenig, ob Sims die Prozedur überlebte, ob als waches menschliches Wesen oder mit völlig gelöschtem Gehirn.
Jawohl … zehn weitere Offiziere am Tisch. Gesichter aufnehmen. Kennt Sims ihre Namen? Namen aufnehmen. Nächste Sitzung. Jawohl. Hier. Das Amphitheater. Hiervon eine Einzelaufnahme. Wer spricht da gerade?
Einer der Befragungsexperten erkannte die Stimme.
»Verdammt! Das ist Mahoney! Aber der ist doch tot!«
Weiterscannen … wir geben weitere Anweisungen. Jetzt. Eine Party. Verdammt … diese Gruppe in der Ecke hat sie nicht mal angesehen. Macht nichts. Die erwischen wir bestimmt an einer anderen Stelle.
»Verdammt noch mal! Schon wieder Mahoney!«
»Wer ist dieser kleine Kerl in den Zivilklamotten neben ihm?«
»Keine Ahnung. Sehen Sie … er spricht. Und Mahoney hört ihm zu.«
»Haben wir ein Audio?«
»Leider nein. Sims ging gerade an diesem Raum vorüber, als jemand herauskam und die Tür sofort wieder hinter sich zumachte.«
»Hängen Sie sich an den Kleinen. Jeder, der Mahoney zum Schweigen und Zuhören bringt, ist für das Kabinett mit Sicherheit von höchstem Interesse.«
Als es vorüber war, waren beinahe achthundert der knapp eintausend Verschwörer und ihrer Assistenten, die an dem Kriegsspiel teilgenommen hatten, einwandfrei identifiziert. Unter ihnen auch Mahoney und Sten.
Als es vorbei war, wurde Sims’ Körper verbrannt. Ihr Eintrag verschwand aus den Imperialen Verzeichnissen. Fünf Generationen treuer Dienst am Imperium fanden ihr Ende, verloren sich in Nacht und Nebel.
Das war auch der Deckname für die Säuberungsaktion: Nachtnebel. Schwarze Listen wurden zusammengestellt und ausgegeben. Sie wurden nicht nur von Mercury- und Mantis-Agenten ergänzt, sondern auch von den Privatarmeen der Kabinettsmitglieder.
Einige der Verschwörer wurden festgenommen und öffentlich angeklagt. Einige von ihnen gestanden nach Drohungen, auch ihre Familie mit hineinzuziehen, oder, was öfter der Fall war, unter dem Einfluss von Drogen, dass die Verschwörung von den Honjo organisiert worden war, unter Federführung eines gesetzlosen Generals namens Mahoney. Dann wurde ihnen erlaubt zu sterben.
Andere verschwanden einfach.
Ob unschuldig oder nicht, das Imperiale Offizierskorps wurde zerstört – zerstört durch die Angst, die in den eigenen Reihen umging, zerstört durch Paranoia. Sie alle wussten, dass Nachtnebel II … oder III … oder?? jederzeit stattfinden konnten.
Sims’ Gehirnscanning brachte achthundert Namen zum Vorschein, und achthundert Namen standen auf der ursprünglichen Liste.
Spätere Schätzungen gingen davon aus, dass mindestens siebentausend Personen getötet wurden.
Jeder Mensch hat persönliche Feinde. Während die Liste herumging und ständig wuchs, bereinigte jedes Mitglied des Kabinetts, mit der Ausnahme von Kyes, das eine oder andere persönliche Problem.
Als die Todeslisten schließlich auf den Schreibtischen der für die Verhaftungen zuständigen Sicherheitsleute lagen, war es für den entsprechenden Offizier oder Totschläger ein leichtes, einen oder zwei Namen hinzuzufügen. Oder fünf. Oder sechs.
Natürlich passierten dabei auch einige Missgeschicke.
Ein Autor von Kinderfiches, ein überaus beliebter und respektierter Mann, lebte unglücklicherweise in derselben Vorstadt wie ein ehemaliger Major General namens Whytte. Mitten in der Nacht wurde in das Haus des Schriftstellers eingebrochen, der Schriftsteller in die Mitte seines Wohnzimmers gezerrt und erschossen. Die Frau des Schriftstellers versuchte die Mörder von ihrem Tun abzuhalten. Sie wurde ebenfalls erschossen.
Als der Fehler bekannt wurde, hielt der Anführer des Mördertrupps, ein Agent des Mercury Corps namens Clein, die ganze Sache für einen hervorragenden Witz.
Kapitel 14
Alex sah, wie der
Weitere Kostenlose Bücher